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Kultur: Faszination Kino

Der Regisseur Uli Gaulke war mit „Comrades in Dreams“ im Filmmuseum zu Gast

Drei klapprige LKW erreichen nach stundenlanger Fahrt einen sandigen Platz ohne nennenswerte Infrastruktur. Bevor die einfachen Leinwandzelte aufgebaut werden, gibt es ein heftiges Palaver darüber, ob das an dieser Stelle überhaupt möglich sei. Doch dann entsteht wie aus dem Nichts und innerhalb kurzer Zeit „Anup“s Zeltkino“. Und der 25-jährige Inder steht jeden Abend in strahlend weißem Hemd und eben solchem Lächeln davor, um die drängenden Menschenmassen persönlich in Augenschein zu nehmen.

In der indischen Provinz Maharashtra kommen nicht wenige der Besucher sogar bis zu 150 Kilometer zu Fuß, sagte Regisseur Uli Gaulke am Donnerstagabend im mit etwa zwei Dutzend Zuschauern gefüllten Potsdamer Filmmuseum anlässlich der Aufführung seines bereits auf der Berlinale gezeigten Dokumentarfilms „Comrades in Dreams“.

Es sind einfache Leute vom Land, die in den Leinwandgeschichten vor allem sich selber wiederfinden wollen. „Titanic“ verstehen sie hier nicht und dann können sie auch zu Hause nicht davon erzählen, erklärt der indische Filmvorführer selbstbewusst, dessen einziges wirkliches Problem darin besteht, die passende Frau für sich zu finden. Eine, die es erträgt, fünf Monate im Jahr allein zu Hause zu bleiben und die auch damit leben kann, dass der finanziell zwar sehr einträgliche Beruf in der indischen Gesellschaft nicht besonders angesehen ist.

Ganz andere Geschichten erzählen dagegen die weiteren Protagonisten in Gaulkes überaus sehenswerter Dokumentation über die Faszination Kino. So wie die „Filmvorführgenossin“ Han Jong Sil aus einer Musterkolchose in Nordkorea etwa von ihrer Verehrung gerade für die Spione aus den Politfilmen spricht oder die drei Freunde aus der Hauptstadt von Burkina Faso von ihrer Sehnsucht nach dem ersten wirklich eigenen Kino. Das betreibt die 60-jährige Penny in Wyoming/USA zwar seit mehr als zwölf Jahren, aber nicht, um damit das große Geld zu verdienen, sondern um den Jugendlichen und den Einsamen in der gesichtslosen Kleinstadt einen kulturellen Treffpunkt zu bieten.

Sie alle sind „Missionare des Kinos“ und „diesen Idealisten wollte ich auch ein Denkmal setzen“. Bekennt der sympathische ehemalige HFF-Absolvent mit Strubbelfrisur und viel jungenhaftem Charme im Anschluss. Und erzählt danach fast noch eine Stunde lang davon, welche seltsamen Begegnungen und Erfahrungen er bei seinen nahezu durchgängig beobachteten Dreharbeiten in Nordkorea machen konnte.

Dabei ist ihm anzumerken, wie wichtig es ihm ist, immer einen persönlichen Draht zu seinen Protagonisten vor der Kamera herzustellen und dadurch politische und kulturelle Barrieren zu überwinden. Das gelingt ihm auch, als er den fertigen Film an allen seinen Entstehungsorten selbst vorführt und miterlebt, wie sich die US-Amerikanerin ihrer nordkoreanischen Kollegin menschlich überaus verbunden fühlt. Oder die Afrikaner erfolgreiche indische und amerikanische Geschäftsideen übernehmen und ausprobieren wollen.

Der Dokumentarfilm „Comrades in Dreams“ ist eine wunderbare Liebeserklärung an das Kino und schafft darüber hinaus einen nachhaltigen emotionalen Zugang zu fremden Lebenswelten auf drei verschiedenen Kontinenten. Möge er außerdem dazu beitragen, dass die Sehnsucht nach dem öffentlichen Erlebnis Kino gerade hier in Europa auch in Zukunft erhalten bleibt.

Astrid Priebs-Tröger

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