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Eingetaucht in Melancholie. Georg Wratsch malte oft Stilleben, wie diese Boote ohne Titel aus dem Jahr 1998.

© Besitz Wratsch

Kultur: Farbintensives Lebenskarussell

Das Potsdam Museum zeigt erste Ausstellung des Malers und Szenenbildners Georg Wratsch

Als Szenenbildner musste er sich nicht anbieten. Regisseure wie Heiner Carow, Siegfried Kühn, Horst Seemann und Roland Gräf haben seine Qualitäten geschätzt. In Filmen wie „Levins Mühle“, „Bankett für Achilles “ oder „Coming Out“ ist seine künstlerische Handschrift deutlich eingeschrieben. Dass er als studierter Maler in über 40 Jahren außerdem unzählige Bilder schuf, wussten trotzdem die wenigsten seiner Kollegen. Zu Lebzeiten war es Georg Wratsch (1928-2006) deshalb auch nicht vergönnt, seine Bilder, die in vielen Techniken über die Jahre immer wiederkehrende Sujets bearbeiten, in einer eigenen Ausstellung zu zeigen.

Unter dem Titel „Ich bin Maler und mache Licht“ präseniert das Potsdam Museum in Kooperation mit dem Förderverein und dem Filmmuseum im Alten Rathaus nun eine Studio-Ausstellung, in der über 70 Ölbilder und Pastelle, Zeichnungen und vor allem Aquarelle aus der Zeit von 1951 bis 1998 zu sehen sein werden. Werke, die einen ersten Einblick in sein Lebenswerk als Maler geben können. Die Kuratorin Susanne K. Fienhold Sheen hat Georg Wratsch schon sehr früh kennengelernt. Denn als Kind besuchte sie ihre Mutter, die Filmarchitektin Christa Schulze, in den Defa-Studios und traf dort auch auf den zurückhaltenden Wratsch. Es sind seine sehr farbstarken und atmosphärisch dichten Szenenbilder, die ihr bis heute in Erinnerung geblieben sind.

Der Anstoß zur jetzigen Ausstellung kam aus dem Filmmuseum, das den szenenbildnerischen Nachlass von Georg Wratsch seit 1996 besitzt. Sammlungsleiterin Dorett Molitor ahnte, dass bei der Witwe Christiane Wratsch noch ein Bilderschatz zu heben ist. Seit Oktober 2012 hat die Kuratorin etwa 500 Blätter gesichtet und die jetzige Präsentation zusammengestellt. Das titelgebende Zitat stammt aus einem Interview mit Georg Wratsch und beschreibt sehr gut, wie er sich selber sah. Im vorderen Raum der Ausstellung sind farbintensive Blumenstillleben, menschenleere Strandszenen und europäische Stadtansichten sowie Landschaften in jahreszeitlich wechselnden Stimmungen dicht an dicht gehängt.

In der rundum fliederfarben gestrichenen Rotunde des Potsdam Museums wird dagegen so etwas wie ein Lebenszirkus präsentiert, wie die Kuratorin beim gestrigen Pressegespräch sagte. Neben Selbst- und Fremdporträts aus den 50er und 60er Jahren sind auch Zirkus- und Tierbilder sowie in allen Ausstellungsgruppen ein knappes Dutzend Szenenbilder zu sehen. Das ist Absicht und Besonderheit der Ausstellung zugleich. In grauen Passepartouts wird die bisher unbekannte Malerei Georg Wratschs gezeigt, in den schwarzen Umrahmungen sind beispielsweise Szenenbilder aus „Levins Mühle“, „Unterwegs nach Atlantis“ und „Fariaho“ zu sehen. In der Mitte der Rotunde wird außerdem ein kleines Kinderkarussell aus dem Film „Kindheit“ aufgebaut sein, das der leidenschaftliche Blechspielzeugsammler damals für das Szenenbild verwendete.

Da die wenigsten Szenenbildner bei der Defa von der Malerei kamen, so Dorett Molitor, seien die Szenenbilder von Georg Wratsch immer eigenständige Gemälde und damit etwas Besonderes gewesen. Er fertigte keine technischen Zeichnungen wie beispielsweise Szenenbildner mit filmarchitektonischem Hintergrund an, sondern machte atmosphärische Vorschläge für die Regisseure. Das ist auch seine Stärke als Maler, denn viele der ausgestellten Arbeiten strahlen intensive Energien und eine oft erdgebundene Kraft aus.

Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Georg Wratsch, den Susanne K. Fienhold Sheen in Bezug auf seine Malerei als oft sehr unsicher beschrieb, gar nicht wenige seiner Bilder mehrmals übermalt hat. Doch das hat diesen aus heutiger Sicht nicht geschadet, denn die Landschaftsaquarelle, welche mit kräftigen Ölkreiden übermalt wurden, wirken ungeheuer satt und kraftvoll auf den Betrachter.

Erd- und Naturverbundenheit müssen Georg Wratsch schon in die Wiege gelegt worden sein, denn bevor er nach dem Krieg Malerei in Wismar und an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Rudolf Bergander und Paul Michaelis studierte, war er Schäfer. Die Kontemplation, die ein solcher Beruf mit sich bringt, geht auch von nicht wenigen seiner jetzt gezeigten Bilder aus.

Zeitlos schön sind unter anderem die Tanzenden aus „Coming out“ oder die verschiedenen Versionen von alten Fischerbooten am Strand sowie Stadtansichten aus Paris, Rom oder Amsterdam. Bei diesen wirkt die teilweise Kombination aus kräftigem Aquarell und zarter Federzeichnung besonders berührend. Und die leise Melancholie, die von ihnen ausgeht, ist nicht nur im Hinblick auf ihre Entstehungszeit, sondern aus den Lebenserfahrungen des zwischen zwei Weltkriegen Geborenen zu verstehen.

Die sehenswerte Ausstellung wird durch ein umfangreiches Begleitprogramm ergänzt. So finden zwei Führungen durch die Kuratorin und durch Dorett Molitor statt und außerdem sind im Februar und im März im Filmmuseum die Filme „Coming Out“, „Die Reise nach Sundevit“ und „Fariaho“ zu sehen. Die Ausstellungseröffnung am heutigen Abend wird mit einer Rede von Roland Gräf eröffnet, mit dem Georg Wratsch nicht nur gearbeitet hat, sondern auch freundschaftlich verbunden war.

Die Ausstellung „Ich bin Maler und mache Licht“ im Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte im Alten Rathaus, Am Alten Markt 9, ist bis zum 21. März, dienstags bis sonntags, jeweils von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei

Astrid Priebs-Tröger

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