zum Hauptinhalt
Julius Ruge Porträt xy.

© promo

Kultur: „Explosition“

Malerei und Collagen von Julius Ruge im Kunstwerk

Die aktuellen Formate sind ziemlich groß, lebensgroß könnte man sagen, und so bemessen, dass eine aufrecht stehende oder lagernde Figur so gerade auf die Leinwand passt. Drei Figuren, ihrer Geschlechtlichkeit nach weiblich und dabei in ihrem ganzen Auftreten nichts Gutes verheißend, schließen sich zu einer Serie zusammen. Sie haben die Ausstrahlung von Skulpturen aus Stein, unnahbar und dämonisch, ihre Farbgebung setzt ganz auf Grau. Daneben ein Querformat: „23Starter“. Gelb hervorlugend die Augäpfel einer verquält schauenden Frau.

Im ersten Raum der Ausstellung „Explosition“ von Julius Ruge im Kunstwerk ist einem nicht nach Lachen. Daran kann auch der so genannte „lustige Akt auf rotem Stuhl“ nichts ändern. Diese Malerei ist gegenständlich, der Figur und dem konkreten Motiv verpflichtet, ohne sich dabei auf ein Thema festzulegen. Bildtitel wie „black jesus“ oder „Engel in der Mondumlaufbahn“ spielen eher mit der freien Assoziation, als dass sie das Bildsujet auf eine Bedeutung festlegen.

Von einer ganz anderen Seite zeigt sich der Potsdamer Künstler Julius Ruge im folgenden Ausstellungsraum. Die hier gezeigten Arbeiten sind durchweg abstrakt. Sehr gelungen in der Formsicherheit und Komposition ist die Collage „Hasenkopp“ auf schwarzem Grund. Hier wurden so unterschiedliche Elemente wie Fotonegative, Zeitungsausschnitte, eigene Zeichnung und Stücke von Klebestreifen geschichtet und zu einem spannungsvollen Arrangement verschränkt. Auch die Papierarbeiten „plusminusnull“ und „Im Auge des Betrachters“ zeugen von einem ausgeprägten Instinkt des jungen Künstlers (Jahrgang 1982) für Komposition und Formgefühl. Obwohl gerade seine schon vor Jahren entstandenen Collagen besonders interessant und ausgereift sind, hat Julius Ruge diese Technik vorläufig ad acta gelegt, um sich ganz auf das Malen zu konzentrieren. Geblieben ist seine Begeisterung für Gegenstände, die eine Vorgeschichte haben. Dinge mit Gebrauchsspuren, die einem was erzählen, wenn man sie in die Hand nimmt. Augenblicklich sind es alte Leinwände oder Sperrholzplatten, von denen sich Ruge zu neuen Bildideen hinreißen lässt. Nicht nur was, sondern auch wie er es malt, entwickelt er letztlich aus sich selbst heraus. Keiner Malschule fühlt er sich verpflichtet. Nach einem abgebrochenen Kunststudium an der Bauhausuniversität Weimar bleibt er vorläufig doch lieber Autodidakt.

Die Einzelausstellung, mit der sich Julius Ruge im Kunstwerk präsentiert, ist mit Blick auf seinen schon viele Klippen gestreiften Entwicklungsweg ein echter Meilenstein. Für den Künstler, der dem Ruf der Malerei mit großer Ernsthaftigkeit folgt, wird die Ausstellung zur Standortbestimmung. Es ist wohl auch ein Ausloten der unterschiedlichen Strategien, sich der explosiven Kraft aufwühlender Stimmungen und Gefühle malend und zeichnend zu stellen. Malen wird für Julius Ruge – wie es Prof. Michael Soltau vom Caspar David Friedrich Institut der Universität Greifswald in seiner Laudatio treffend formulierte – zur Selbstbehauptung, zur Grundlage und Nahrung der psychischen und physischen Existenz.

Als er noch sehr viel jünger war, fand Ruge über die Graffiti-Malerei zum künstlerischen Ausdruck. Inzwischen gelingt es ihm immer mehr, seine Malimpulse zu kontrollieren. Wenn er im Rückblick davon spricht, wie er früher kiloweise Kugelschreiberskizzen produziert hat, wie alles immer ganz schnell gehen musste, ist das längst Vergangenheit. Heute nimmt er sich ganz bewusst Zeit für seine Bilder, lässt sie auf sich wirken und gewinnt auf diese Weise Abstand zum eigenen Tun. Die Diskrepanz zwischen Bildern der Sorte „exploded head“, gemalt in Acryl auf Packpapier, und den kleineren Formaten in Öl auf Leinwand oder Holz könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite Distanzlosigkeit und spontane, vom gestischen Ausdruck beherrschte Malerei, auf der anderen domestizierte Kraft und Selbstkontrolle bis zur kompletten Bewegungslosigkeit. Die zu steifer Pose geronnenen „Clownipärchen“ und Harlekine in reduzierter Farbigkeit führen die Gefahr eines Zuviel an auferlegter Selbstkontrolle vor. Das richtige Maß an Eigenzensur, aber auch zwischen Aufruhr und Erstarrung, Implosion und Explosion ist ganz ohne Frage eine schwierige Gratwanderung, die es jetzt zu nehmen gilt. Julius Ruge, der die Malerei gewählt hat, weil er sich dadurch fortbewegt, hat das Potential dazu. Und ist auf gutem Weg. Almut Andreae

Bis zum 21. Juni: Mi-So von 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr. Im Kunstwerk, Hermann-Elflein-Str. 10.

Almut Andreae

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false