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Katrin Bongard schreibt Drehbücher und Romane. „Es war die Nachtigall“, für Jugendliche und Erwachsene, spielt in Potsdam.

© Ottmar Winter

„Es war die Nachtigall“ von Katrin Bongard: Wenn eine Tierschützerin und ein Jäger sich verlieben

Das jüngste Buch der Potsdamer Schriftstellerin Katrin Bongard ist an Shakespeares „Romeo und Julia“ angelehnt. Es spielt in ihrer Heimatstadt.

Potsdam - Jüngst wurden Videos veröffentlicht, die schlimme Zustände in einer Geflügelfarm zeigen. Greta Thunberg sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos und Potsdam führt den Pfandkaffeebecher ein. Zur anhaltenden Diskussion über Klimaschutz und Umwelt passt das neue Buch der Potsdamer Schriftstellerin Katrin Bongard. „Es war die Nachtigall“ ist ein an Shakespeares „Romeo und Julia“ erinnernder Roman über zwei Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Wesenszügen: die vegan lebende Greenpeace-Aktivistin und Hühnerbefreierin Marie und Ludwig, Sohn einer traditionsbewussten Hof- und Waldbesitzerfamilie, der gerade seinen Jagdschein gemacht hat.

Wie bei Shakespeare steht der Tod am Ende

Ausgerechnet diese beiden begegnen und verlieben sich und, siehe Shakespeare, sterben am Ende. Bei einem blöden Unfall, nicht weil ihre Liebe nicht gereicht hätte. Für ihre jeweilige Peergroup ist der Tod der beiden ein Schock – aber auch eine Chance. Bei der Gedenkveranstaltung in einer Kirche deutet sich an, dass beide Seiten bereit sind, aufeinander zuzugehen. „Das ist eben doch ein Happy End“, sagt Bongard. „Und dass nicht nur einer sondern beide sterben, ist nicht der Romantik sondern der Dramatik geschuldet. Ich als Autorin schlage mich dadurch nicht auf eine Seite. Nur so funktioniert es.“ Sie möchte beide Seiten ansprechen und niemanden verurteilen.

Katrin Bongard: "Es war die Nachtigall", Carl Hanser Verlag München, 2020, Taschenbuch, 272 Seiten, 16 Euro
Katrin Bongard: "Es war die Nachtigall", Carl Hanser Verlag München, 2020, Taschenbuch, 272 Seiten, 16 Euro

© Hanser Verlag

Die Idee zu dem Buch hatte Bongard, die seit etwa 15 Jahren Bücher für Jugendliche und Erwachsene schreibt, vor zwei Jahren. Eine Gegenüberstellung von Jägern und Veganern – das sei beim Verlagsagenten gut angekommen. Aber sie hörte auch Warnungen: Sie werde sich mit dem Buch ordentlich in die Nesseln setzen. Den Zorn gleich beider Lager auf sich ziehen. „Glaub ich nicht“, sagte Bongard. Und wenn doch, dann wäre es eigentlich gut: Es sei doch wünschenswert, Dinge und Diskussionen anzustoßen.

Die Potsdamerin ist offen gegenüber Andersdenkenden 

Bongards großer Vorteil ist, dass sie keine Berührungsängste mit Andersdenkenden hat und weiß, wie Teenager ticken. Aufgewachsen ist sie als „verwöhntes Zehlendorfer Kind“, wie sie sagt, es folgte ein Kunstgeschichtsstudium und der Auszug in ein von Punks besetztes Haus. Dort begann sie, sich mit Umweltthemen auseinanderzusetzen. Heute lebt sie mit ihrem Mann Uwe Carow, Maler und Bildhauer, mitten in Potsdam. Altbau, kreativ-saniert, ein offenes Haus mit viel Platz zum Arbeiten. Für das Kommen und Gehen ihrer drei erwachsenen Kinder. Viel Platz für verschiedene Lebensentwürfe, Berufe und Essgewohnheiten. Als kürzlich eines ihrer Kinder vegan wurde, kam Bongard erneut ins Grübeln. Sie selbst ernährt sich vegetarisch, aber wegen eines Krümels Schinken im Salat würde sie nicht die Freundschaft zur Köchin aufs Spiel setzen.

Das Mädchen Marie im Buch trägt Dreadlocks, kauft Klamotten im Second-Hand-Laden und fragt vor jedem Essen: „Ist das vegan?“ Das nervt gewaltig. Aber den Kuchen der Oma, mit Butter gebacken, isst sie trotzdem. Ist kompromissbereit. „Schubladendenken finde ich gefährlich“, sagt Bongard. Sie selbst lebt vor allem praktisch. Muss man vor lauter Tierliebe unbedingt Leder verteufeln? „Warum sollte ich mir Schuhe aus Kunststoff kaufen, wenn meine Lederstiefel schon seit Jahren halten? Du kannst nicht mit einem Dogma durchs Leben gehen. Die Welt verändert sich, daran muss man sich anpassen können“, sagt sie.

Ludwig trägt Poloshirts, Marie Dreadlocks

Diese Welt besteht auch aus Feld und Wald, wo Förster und Jäger arbeiten und man Geländewagen fährt. Ludwig heißt mit Nachnamen von Brockdorff und trägt Poloshirts. Sein erster Treffer beim Jagen macht ihn nachdenklich, das vom Opa geerbte Gewehr ist ihm dennoch heilig.

Beide jungen Menschen lassen sich aufeinander ein und beginnen, sich Fragen zu stellen. Sie sind neugierig auf die Gedanken und Grundsätze des anderen. Und stellen fest, dass sie in ihrer Sorge für die Umwelt, für die Natur, für ein verantwortliches, wertschätzendes Miteinander von Mensch und Tier vieles verbindet, sie gar nicht weit voneinander entfernt sind. Es zeigt sich aber auch, dass es keine einfachen Lösungen gibt: Was passiert mit dem geretteten Huhn? Wird es in Einzelhaltung verkümmern? Was macht man als Veganer mit dem Ei, das es legt? Wegwerfen? Und wenn eine Rotte Schweine im Revier die Stecklinge zertrampelt, sollte man da nicht jagen dürfen?

Szenischer Schreibstil

Bongard schreibt das alles flüssig und bildhaft mit der flotten szenischen Sprache einer Drehbuchautorin auf. Auch das erinnert an Shakespeare. Die Geschichte spielt sich in kaum einer Woche ab und kommt mit wenigen Orten aus: bei den Protagonisten zu Hause, Treffen der Eltern inklusive, im Musikklub, am See. Es ist, wieder einmal, ein Potsdam-Buch, es wird im Heiligen See – vermutlich an einer illegalen Stelle – gebadet und das Thalia zeigt einen Tierschutzfilm. Im Garten der fabrik in der Schiffbauergasse treffen sich die Veganer, in Fahrland die jungen Jäger.

Wie so eine nächtliche Jagd abläuft, hat Bongard aktiv recherchiert und ist mit einem Jäger und Förster losgezogen. „Ich wollte wissen, was da mit mir passiert“, sagt sie. Sie schossen in dieser Nacht ein Reh. „Ich war beeindruckt, wie perfekt der Schuss saß.“ Und wie viel nüchterne, konzentrierte Expertise aber auch Tradition und Ehrfurcht sie unter den Jägern erlebte.

Ein Happy End gibt es aber doch

Maries Greenpeace-Gruppe will eine Wildschweinjagd mit einer Störaktion abbrechen. Beim Gerangel zwischen Jägern und Aktivisten gibt es einen Verletzten, und im Grunde könnte die Romanze von Marie und Ludwig hier enden – weil beide doch nicht zusammenpassen. Aber dann wäre es nicht Shakespeare. Eine Nacht auf dem Hochsitz, zum Lieben, nicht zur Jagd, schenkt die Autorin den beiden zuletzt. „Ich wollte immer eine Shakespeare-Adaption schreiben und zeigen, was alles in den Klassikern steckt“, sagt Bongard. Ihr Buch sei eben keine Liebesgeschichte, es stelle stattdessen die Fragen, woher der Hass kommt und warum Menschen so verbohrt und nachtragend sein können. „Wir müssen auf Augenhöhe miteinander reden.“

Katrin Bongard: "Es war die Nachtigall", Carl Hanser Verlag München, 2020, Taschenbuch, 272 Seiten, 16 Euro

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