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Klangvolle Königin. Der Bau der neuen Hauptorgel der Potsdamer Nikolaikirche mit 55 Registern und 3600 Pfeifen kostete rund 1,3 Millionen Euro. Davon sind bislang 93 Prozent der Kosten durch Spenden gedeckt.

© Ronny Budweth

Kultur: Es tönt aus der Höhe

Nach 70 Jahren hat die Nikolaikirche wieder eine große Orgel Mit einem Festgottesdienst wurde sie am Samstag geweiht

Lang zieht sich die Schlange der Menschen, die der festlichen Orgelweihe in St. Nikolai beiwohnen wollen, die Freitreppe der Kirche herab, am Obelisken vorbei und endet erst vor der Autoeinfahrt zur Landtagsgarage. Geduldig harrt man aus, teilt die eigene Vorfreude mit der seiner Mitsteher. Ist das Kircheninnere erreicht, geht der Blick sofort zurück und in die Höhe. Dort nun steht sie, die heiß ersehnte neue Königin der Instrumente, erschaffen von der Orgelmanufaktur Kreienbrink aus Georgsmarienhütte: silbrig glänzend, hoheitsvoll, schlank von Gestalt, sich organisch in den Emporenraum einpassend. Endlich also vollendet, wovon die Kirchengemeinde, Musikliebhaber und Orgelfreunde nicht nur geträumt, sondern woran sie immer geglaubt hatten. Getreu dem Motto: Gut Ding will Weile haben. Im Falle des Neubaus, eines den Dimensionen des Raumes angepassten Instruments zog sich die Hoffnung über Jahrzehnte hin.

Nachdem Ende April 1945 bei der Zerstörung der Schinkelkirche die Kuppel in sich zusammen fiel und die große Sauer-Orgel mit in die Tiefe riss, dauerte die Rekonstruktion des historischen Gotteshauses bis 1981. Für eine neue Orgel fehlte allerdings das Geld, sodass man sich für lange Zeit mit einem Orgelpositiv behelfen musste. Als sich die Kirchgemeinde in Altenessen von ihrem Karl-Schuke-Instrument trennt, erwerben es die Potsdamer. Die Kreienbrinksche Truppe baut es für die Gegebenheiten der Nikolaikirche um. Doch bereits 2006 denkt man über den Neubau der großen Orgel nach, unterzeichnet acht Jahre später den Bauvertrag mit Kreienbrink, der zusammen mit dem Nikolaikantor Björn O. Wiede auch die Disposition festlegt. Und so verfügt die Novität über Schleifladen, mechanische Tasten- und elektrische Registertraktur, diverse digitale Midi-Schnittstellen für die Wiederholungsfunktion, Vorspeicherung von tausenden ausgewählten Registrierungen und ein großes Touchpad. Doch trotz aller modernen Technik: die 55 klingenden Register, verteilt auf drei Manuale und Pedale mit insgesamt 3300 Pfeifen von sechs Zentimetern bis 4,80 Metern Länge müssen noch von den Organisten selbst bedient werden.

Prachtvoll anzuschauen ist die junge Königin. Doch wie wird sie klingen? Beim musikalischen Gottesdienst zu ihrer Weihung am 23. September 2017 muss sie nach intensiven Intonierungslektionen durch Matthias Ullmann endlich Klangfarbe bekennen. Zunächst singt der Nikolaichor, unterstützt von Wiede an der Altarorgel, den von ihm vertonten liturgischen Psalm „Jauchzet Gott alle Lande“. Wenig später begleitet er antreibend den Gesang der Festgemeinde, ehe Pfarrerin Susanne Weichenhan das Einweihungsgebet („Gott zu Ehren, der Gemeinde zu Trost und Erbauung“) spricht und Wiede zum Gang an sein neues Arbeitsgerät auffordert. Mächtig brausen die Stimmen, erfüllt kraftvoller Glanz den Raum, als er mit „Improvisation – Toccata prima nova“ die Farbenvielfalt von Soloregistern und des vollen Orgelwerkes vorführt. „Wahrlich wohlgeraten“, dankt danach Dirk Scheinemann, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Es folgt die Uraufführung der Wiedeschen Motette „Te Deum organum“ für Chor, Blechbläser und Pauken (Mitglieder der Neuen Potsdamer Hofkapelle) sowie Orgel, musiziert von der Empore herab, die Platz für alle Beteiligten bietet. Einer festlichen Intrada mit viel Orgelrhetorik in dissonanter Maßanfertigung und strahlenden Trompeten folgt der Einsatz des Nikolaichores, dessen Stimmen sich gut, aber weitgehend textunverständlich mischen. Kurzum: Erhaben tönt es unter Leitung vom Hamburger Kirchenmusikdirektor Rudolf Kelber aus der Höhe.

Viel Gänsehaut habe er beim Hören gehabt, lobpreist Probst Christian Stäblein in seiner Predigt und sinnt über die sich „reckenden und neckenden Töne, die jubelnden und tröstenden Register“. Davon hält auch Franz Liszts „Präludium und Fuge über B-A-C-H“ eine Menge bereit, das Wiede geradezu lustvoll und kontrastreich spielt. Gegenüber den PNN zieht Firmenchef Joachim Kreienbrink sein Fazit über die stilistisch vielseitig einsetzbare Orgel: „Sie klingt phantastisch, dringt gut durch, hat Kraft und kann auch ganz leise!“ Die Potsdamer Orgellandschaft ist vielfältiger geworden.

Nächste Orgelkonzerte in der Nikolaikirche: Am 28. September um 18 Uhr und am 30. September um 19 Uhr

Peter Buske

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