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Zwiesprache. Eberhard Trodler malte immer wieder auch seine Familie. Von seinem verstorbenen Sohn Steffen hängen zwei Porträts in der Ausstellung im Café Matschke. Auf einem ist er 1989 als Punk zu sehen, damals 20-jährig.

© Andreas Klaer

Er malt wieder: Väter und Söhne

Der Maler Eberhard Trodler hat fünf Jahre nach dem Tod seines Sohnes zur Arbeit zurückgefunden. Die Zwiesprache mit der Natur soll ihm helfen, die Trauer zu besiegen.

Er hat wieder Mut bekommen. Mut, sich der Leinwand anzuvertrauen. Fünf Jahre liegt es inzwischen zurück, dass sich sein Sohn Steffen das Leben genommen hat. Eberhard Trodler versank in eine lähmende Trauer, die ihm die Muße zum Malen nahm. Der tägliche Gang zur Bäke, dem Flüsschen schräg über die Straße, um die Jahreszeiten und Lichtstimmungen wie gewohnt auf die Leinwand zu bringen, hatte plötzlich seinen Sinn verloren.

Der Wunsch einer Nachbarin, sie zu porträtieren löste die innere Erstarrung des Stahnsdorfer Künstlers. Schließlich hatte er auch schon ihre Kinder gemalt. Und er wollte ihr diese neue Bitte nicht abschlagen. Sie kam wohl im richtigen Moment. Das gerade erst fertiggestellte Porträt hängt allerdings nicht in der aktuellen Ausstellung im Café Matschke. Sie ist vor allem Trodlers Familie und seinem vertrauten Umfeld vorbehalten. Es ist eine sehr persönliche Ausstellung, die sich vom Kaminzimmer, über das Treppenhaus in das Esszimmer schlängelt. Unter den Werken befinden sich auch zwei Porträts von Steffen Trodler, der ebenfalls Künstler war, und sein Atelier mit der Siebdruckmaschine im elterlichen Garten hatte.

Oft zum Schuldirektor

Das 1989 gemalte „Porträt Steffen Trodler“ zeigt den mit 44 Jahren verstorbenen Sohn als Punk: damals 20, mit großen dunklen Augen, vollen Lippen und rasierter Halbglatze. Mit festem Blick wendet er sich ab, zeigt sein Profil. Es liegt eine große Spannung auf diesem weichen und doch so verschlossenen Gesicht. „Er war damals ein ziemlich aufsässiger Bursche und ich musste oft zum Schuldirektor. Dort lehnte ich mich auch gegen die starren blöden Vorgaben auf“, die sich auch gegen das Äußere des Sohnes richteten, erinnert sich der 76-Jährige.

Wer oben an dem großen Esstisch im Café Matschke Platz nimmt, sieht immer wieder auf das markante Sohn-Bildnis in Blau, auf diesen charismatischen jungen Mann, der 1987 den Militärdienst verweigerte, und der jetzt wie ein Gast durch die Tür schaut. Man möchte ihn herein bitten. Hierher, wo der Vater seine Landschaften ausbreitet, die er malte, als der Sohn noch lebte: ein Wäldchen in Schnee und Eis, im grünen Sommerdickicht und rotem Herbstlaub. Die Bäke-Wildnis. Zwischen den atmosphärisch dichten Naturimpressionen liegt ein toter Vogel, ein Eichelhäher, der die Beine wie Ausrufezeichen von sich streckt. „Diesen toten Vogel brachte mir Steffen von einem Spaziergang mit. Ich habe ihn immer wieder aquarelliert.“

Bereit für den Neubeginn

Eberhard Trodler ist bereit für einen Neubeginn. „Mein Leben soll wieder einen Inhalt kriegen. Und die Zwiesprache mit der Natur ist die einzige Sache, die mich von der Trauer wegzieht. Steffens Tod wird indes nie richtig zu verarbeiten sein.“ Der Künstler redet sich bei der Vernissage offenherzig vieles von der Seele, jedes Bild ist der Schlüssel für eine weitere Geschichte aus seinem Leben, das immer auch mit Leid und Sorge verbunden war. Wie um seine Zwillingsschwester Erika, die seit ihrer Geburt unter Sauerstoffmangel ein Pflegefall ist und die doch so wunderbare Sonnenblumen malt. Mit ihren Blumen auf seinem Trabi reist Trodler noch immer herum.

In der Ausstellung ist ein Bild von seiner geliebten Schwester zu sehen, auf dem sie sich scheinbar selbst in den Arm nimmt. Auch der Vater ist dabei, der ihm einst das Zeichnen beibrachte, ihm vermittelte, mit freiem Geist in die Motive vorzudringen. Eine weichgezeichnete Radierung zeigt den kräftigen Vater schlafend im großen Sessel. Man hört ihn förmlich atmen. Die Mutter malte er tief gebeugt, Kartoffeln schälend. Diese couragierte Frau, die zuvor einen Sohn an Gelbsucht verloren hatte, zog nach dem Krieg mit ihren vier Kindern in die Prignitz. Ihr Mann war noch im Krieg. Das Familienanwesen bei Königsberg mussten sie verlassen. Die Mühle von Eberhard Trodlers Großeltern wurde von den Russen in Brand geschossen. „Fast jeden Herbst fahre ich dorthin, zum Birnbaum, den mein Großvater in den 1930er Jahren neben seiner Mühle gepflanzt hatte und der noch heute Früchte trägt. Ich mische die Birnen immer mit den Quitten von Usedom, die im Garten von Otto Niemeyer-Holstein wachsen, mit dem ich befreundet war. Und der zu meinen künstlerischen Vorbildern gehört.“

Mit dem Sohn am Obstbaum

Auch sein Sohn Steffen begleitete ihn 2009 zu diesem prächtigen Obstbaum, auf die Anhöhe, „an dem das menschliche Leben vergangen ist“, wie Steffen Trodler in einem Essay schrieb. In diesem Text, der in einer ihm gewidmeten Gedenkschrift der regionalen Künstlergruppe Art Event nachzulesen ist, heißt es weiter: „Aus den Blüten des Baumes wurden wie überall, wo Bäume Wurzeln schlagen können, reife Früchte. Im Herbst nach unserer gemeinsamen Fahrt, bereitete mein Vater eine seltene Birnenmarmelade.“ Steffen Trodler war beeindruckt von dem einsam liegenden und von Äckern umgebenen kleinen Stückchen Grün mit der scharfen Silhouette des mächtigen strahlend weißen Birnbaums: „Ich gehe gemächlich hinter meinem Vater und tue das was Söhne oftmals tun – ihren Vätern gleichen. Also halte ich, neben dem Genuss des Tages, Ausschau nach Dingen, die vom Werden und Gedeihen, Dasein und Vergehen berichten können.“

Wir schauen auf das Gesicht, das sein Vater 1989 von ihm malte. Und das weiter zu uns spricht: von einem rebellierenden, in sich zurückgezogenen Geist. In ein, zwei Jahren werden seine Radierungen, Fotografien, Texte und Siebdrucke, die er für Künstlerkollegen wie Wolf-Dieter Pfennig oder Rainer Ehrt fertigte, auch bei Matschke zu sehen sein und posthum über Steffen Trodler Auskunft geben.

Indessen hält Eberhard Trodler weiter Zwiesprache mit seiner Bäke. Jetzt auch wieder mit Zeichenstift. Oft sitzt er auf der Baumscheibe, die er einst für seine Mutter zurecht geschnitten hatte. Unter der dicken Eiche und den dunklen Erlen. Und denkt an seinen Sohn: „Er hätte mich fortsetzen können.“

Zu sehen bis 10. März im Café Matschke, Alleestraße 10

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