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Kultur: Er ist der Boss(e)

Open-Air-Konzert in der Schiffbauergasse

Er erzählt Geschichten, wenn er dort oben auf der Bühne steht. Seine Geschichten zu musikalischen Erlebnissen für das Publikum macht. Denn Axel Bosse erzählt gern. Nicht nur in seinen Liedern, sondern auch dazwischen. So nahm er das Publikum am vergangenen Samstag mit auf eine ganz persönliche Reise durch die musikalische Vergangenheit und Gegenwart. Auf dem dritten Teil der „Kraniche“-Tour zum gleichnamigen Album machte Bosse mit seiner Band halt im Potsdamer Waschhaus und belebte die große Open-Air-Bühne inmitten der Schiffbauergasse neu.

Doch vor ihm hatte Judith Holofernes ihren Auftritt. Die ehemalige Frontfrau der Berliner Band Wir sind Helden mit der markanten Stimme bleibt auch in ihrem Soloprojekt ihrem eigenen Sound treu, unverkennbar und unverwechselbar. Eine kraftvolle und gleichzeitig hauchzarte Stimme, die über das Publikum hinwegrollte und es in träumerischer Stimmung wog. Sie bildete den perfekten Auftakt dieses Abends, der ein ganz besonderer werden sollte. Denn Axel Bosse macht nicht einfach so Musik. Der 34-jährige Sänger, Songwriter und Gitarrist erzählt das, was er erlebt, in seinen Liedern. Und so es war mehr als Musik, was bei dem ersten eigenen Open-Air-Konzert von Bosse auf der Bühne passierte. Denn Axel „Aki“ Bosse lebt Musik so, wie sie kommt. Tanzend, springend, schreiend und auch mal schunkelnd – vom ersten Ton an maß der gebürtige Braunschweiger jeden Zentimeter der Bühne aus. Gerade so, als wollte er eine Marathonstrecke zurücklegen. Oder zumindest die Hälfte davon.

Die Energie, die Bosse dort freisetzte, ergoss sich wie Wellen über die knapp 3500 Zuhörer und verwandelte sie zu einer einzigen Masse tanzender Körper. Bosse steckte an und lud dazu ein, auf der Stelle zu tanzen, auf den Füßen vor- und zurückzuschaukeln, ein wenig im Kreis zu springen oder einfach nur gemächlich den Kopf zu schwingen. Durch Facettenreichtum besticht Bosses Musik. Nie überladen, aber auch nie ganz einfach, wenn zum Standardrepertoire Gitarre, Bass und Schlagzeug noch Trompete, Bongos, Piano und Akkordeon hinzukommen. Wie ein Dirigent leitete Aki Bosse sein Publikum an, machte daraus seinen ganz persönlichen Chor. Und es waren eben jene Momente, in denen er sich völlig zurücknahm und seinen Zuhörern das Singen überließ, die magisch wirkten. Plötzlich tanzten nicht mehr sie zu der seinen, sondern er zu ihrer Musik. Und obwohl Axel Bosse viele seiner Lieder schon Hunderte von Malen gesungen hat, schien es, als würde er jeden Ton aufs Neue erleben. Bosses erscheint wie eine kleine Erweckung für all jene, die schon in Versuchung geführt wurden, deutschsprachiger Musik den Rücken zu kehren.

Aki Bosses Geschichten sind es, von denen seine Musik lebt. Sie sind es, die die Grenze zwischen ihm auf der Bühne und seinem Publikum davor zunächst schrumpfen und am Ende sogar völlig verschwinden ließen. Seine Geschichten wurden zu ihren Geschichten. Und so wurde Bosse von einem einfachen Konzert zu einem gemeinsamen musikalischen Erlebnis. Chantal Willers

Chantal Willers

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