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Kultur: Er beherrschte achtundsechzig Sprachen „arche“-Vortrag über

das Genie Emil Krebs

Ältere werden den Legationsrat Emil Krebs bestenfalls aus dem Kreuzworträtsel kennen, Jüngere überhaupt nicht. Was man sonst von dem 1867 im schlesischen Freiburg geborenen Sprachgenie wissen kann, findet man unter der Nummer 007984 in den Akten des Auswärtigen Amtes, oder in der Registratur des Stahnsdorfer Südwestfriedhofes, wo dieser deutsche Sinologe 1930 begraben wurde. Am Dienstag erinnerte sein Großneffe Eckhard Hoffmann aus Golm in der „arche“ an diesen ganz erstaunlichen Mann, der am deutschen und chinesischen Kaiserhof verkehrte, achtundsechzig Sprachen beherrschte und trotzdem im Kreuzworträtsel endete. Vorerst, denn ganz bestimmt wird den fünfjährigen Recherchen des Referenten bald etwas Gedrucktes folgen.

Emil Krebs war ein Autodidakt par excellence. Im Schweignitzer Gymnasium belegte er kurzerhand alle Sprachfächer, also Griechisch, Französisch, Latein und Hebräisch und absolvierte sie mit gutem Erfolg. Gleichermaßen glänzte er in Mathematik, dass man ihn vor dem Abitur (1887) vom Unterricht befreite. Mit Neunzehn kamen dann kurz mal Englisch, Polnisch, Spanisch, Türkisch und Arabisch hinzu. Mit der Kenntnis von zwölf Sprachen beginnt er in Breslau das Studium der Theologie und Philosophie, in Berlin versucht er sich dann in Jura. Als im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialpolitik fast zeitgleich das Orientalische Seminar öffnete, lernte Krebs dort Chinesisch. Alles bewältigte er in auffallend kurzer Zeit und mit gutem Erfolg, auch die Dolmetscherprüfung.

1893 wird er vom Auswärtigen Amt nach Peking geschickt, wo er ein Vierteljahrhundert bleiben und, na klar, weitere Sprachen und etliche Dialekte lernen wird, etwa Mongolisch, Mandschurisch und Tibetisch. Sein Chinesisch ist so exzellent, dass selbst höchste Kreise ihn zu Rate ziehen. 1912 in Potsdam vom Kaiser persönlich zum Legationsrat befördert, verzichtet er auf eine diplomatische Karriere, seine Sprachstudien sind ihm wichtiger. Nach 1918 hatte Deutschland für ihn vorerst keine Verwendung, gleichwohl er den amtlichen Verkehr beherrschte und auch von einer in die andere Fremdsprache übersetzen konnte. 1923 nahm ihn der Deutsche Sprachendienst des Auswärtigen Amtes auf, dessen Leiter Gautier von ihm sagte, er ersetze dreißig Mitarbeiter. Jedenfalls lernte Krebs weitere Sprachen und Dialekte, so Baskisch, Sumerisch, Irisch, Tatarisch, Albanisch, Sardisch, Toskanisch und etliche mehr. Auch in der Keilschrift soll er sich ausgekannt haben, denn Sprachen bedeuteten für ihn auch eine intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Land und seiner Kultur. Seine Gattin Amande, 1914 zu Shanghai geehelicht, wird bei so einem obsessiven Polyglott nicht zu beneiden gewesen sein. Er starb 1930 in seiner Dienststelle an Gehirnschlag. Seine Bibliothek umfasste Bücher in einhundertelf Sprachen. Sie ging mit seinem Nachlass in den Besitz der Nationalbibliothek Washington über. Einige sind so kostbar, dass sie öffentlich gar nicht zugänglich sind.

Posthum wurde sein Gehirn entnommen, die Wissenschaft sucht dergestalt ja stets das Genie. Viel fand man nicht, nur ein „leicht vergrößertes Sprachzentrum“. Der Rest sind Anekdoten, wie von den afghanischen Königssöhnen, mit denen sich Krebs wegen mangelnder Praxis nicht gut unterhalten konnte. Man wechselte einfach zum Syrischen. Oder die Geschichte vom chinesischen Astrolab vor der Orangerie, eine Sühnegabe für die Ermordung zweier deutscher Priester beim Boxeraufstand. Nach Versailles fiel es an China zurück. So viel Leben, so viel Wissen, so viel „Sensation“! Am Ende bleibt die Erinnerung im Kreuzworträtsel bewahrt. Oder in Nummer 007984. Immer noch besser als ganz vergessen. Gerold Paul

Gerold Paul

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