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Entspannte und feinfühlige Klangmagie: Starpianist Radu Lupu im Nikolaisaal

Ein Pianist von eleganter Gelassenheit und Entspanntheit: Dieser Ruf eilt dem rumänischem Klaviervirtuosen Radu Lupu voraus. Und dies bereits spätestens seit seinem Studium am Moskauer „Tschaikowsky“-Konservatorium Ende der 1960er-Jahre: Bereits da hatte er erste Preise bei drei wichtigen internationalen Wettbewerben gewonnen.

Ein Pianist von eleganter Gelassenheit und Entspanntheit: Dieser Ruf eilt dem rumänischem Klaviervirtuosen Radu Lupu voraus. Und dies bereits spätestens seit seinem Studium am Moskauer „Tschaikowsky“-Konservatorium Ende der 1960er-Jahre: Bereits da hatte er erste Preise bei drei wichtigen internationalen Wettbewerben gewonnen. Die Facetten seines faszinierenden Spiels offenbarte Lupu bei seinem umjubelten Konzertabend am Samstag im vollbesetzten Nikolaisaal. Sein gefühlvolles und gleichzeitig äußerst präzises Spiel führt dazu, dass die Zuhörer durch nichts abgelenkt werden – bis auf die Attacken einiger Lauthuster – und sich ganz in die Stimmungen und Gefühle der Musik versenken können. Er verschmäht den üblichen Klavierhocker, sitzt stattdessen wie ein Buddha in stoischer Gelassenheit auf einem Stuhl, den Rücken fest in die Lehne gedrückt. In sich ruhend entlockt er dem Steinway die herrlichsten Töne.

Zu Beginn des klangmagischen Abends spielt er Joseph Haydns f-Moll-„Andante con variazioni“. Wer allerdings eine typische Form der Variation mit einem Thema nebst nachfolgenden Veränderungen erwartet, bekommt stattdessen einen zweiteiligen Eröffnungssatz zu hören, wobei beide Teile abwechselnd variiert werden. Da wechselt Moll mit Dur, was zu einer episodenartigen Abfolge führt. Ganz schlicht, geradezu verinnerlicht spielt Radu Lupu mit herrlich leichtem und doch so ausdrucksstarkem Anschlag das Stück. Zunächst geradezu akribisch wie eine rationale Meditation, verdichtet sich das filigrane Rankenwerk mit seinen Trillerketten und perlenden Läufen zunehmend, gewinnt sich leidenschaftlichen Zugriff. Abrupt fahren grelle Akkorde wie Peitschenhiebe dazwischen.

Und auch Robert Schumann weiß in seiner C-Dur-Fantasie op.17 für spannende Kontraste zu sorgen. Das Werk, zwischen 1836 und 1838 entstanden, ist Ausdruck von des Komponisten seelischem Tiefpunkt im Verhältnis zu seiner Angebeteten Clara Wieck. Denn deren Vater stemmt sich vehement gegen die Verbindung seiner 17-jährigen Tochter mit Schumann. Um seinen Depressionen zwischen Einsamkeit, Verzweiflung und hoffnungsfrohem Zukunftsglauben zu begegnen, komponiert er sich eine dreiteilige Seelentherapie. Kraftvoll und gefühlskontrolliert, immer wieder von leidenschaftlichem Rumoren unterbrochen deutet Radu Lupu sie gleichsam als eine Kaltnadelradierung: scharf umrissen in den Konturen. Schier atemberaubend auch, wie er das Lyrische und Überschwängliche voller Sensibilität und differenziertester Klangfarbenfülle dynamisch bis ins verhauchende, dennoch tragfähige Pianissimo zu gestalten versteht.

Dass der Pianist ein begnadeter Seelenausloter voller kontrollierter Leidenschaft und verklärter Intensität ist, offenbart er ebenfalls in der Ausdeutung von Peter Tschaikowskys „Jahreszeiten“-Zyklus op. 37a. Wobei sich diese als zwölfmonatige Beschreibungen entpuppen, in denen von ewigem Werden und Vergehen die Rede ist und in enger Beziehung zur Natur und der menschlichen Psyche steht. Hier kann sich Lupus sensibles und nuanciertes, farbenschillerndes Spiel besonders in den verinnerlichten Passagen ungehemmt entfalten. Peter Buske

Peter Buske

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