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Chiffren entschlüsseln in den Bildern von Birgit Krenkel.

© Andreas Klaer

Kultur: Einschlüsse, Narben und Verwitterungen

Birgit Krenkels „Chiffren“ sind noch bis Jahresende im Kulturministerium zu sehen

Für diese Ausstellung sollte man sich Zeit nehmen. Nicht nur, weil die mehr als 50 zwischen 1996 und 2010 entstandenen Arbeiten Birgit Krenkels sowohl Keramiken als auch Bilder und Grafiken sind, sondern, weil sich erst nach längerem Betrachten deren Schichten, Korrespondenzen und Besonderheiten wirklich zeigen. Im Treppenfoyer des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur stößt man zunächst auf zwei Glasvitrinen, in denen sich Tonobjekte befinden, die wie Entwürfe für moderne Architektur wirken.

Ein massiver schwarzer Würfel mit einigen Einschnitten und Aussparungen fällt zuerst ins Auge. An seinen Grundlinien gibt es zwei Öffnungen. Eingänge oder Ausgänge? Das bleibt Geheimnis, so wie es der Titel der Exposition „Chiffren“ vermuten lässt. Daneben befinden sich mehr als ein Dutzend farbige, wie verwittert aussehende aufrecht stehende Quader, die labyrinthisch zusammengestellt sind. Auch hier das gleiche Prinzip, Einschnitte und Aussparungen, die den Weg durch das verschachtelte Objekt nicht erhellen. Aber noch etwas zieht die Aufmerksamkeit auf sich: Die engobierten Oberflächen sind überaus lebendig, weisen „Narben“ und Farbschattierungen auf, wirken vor allem beim zweiten Objekt wie vom Zahn der Zeit angenagt.

Dieses Prinzip der Oberflächenbehandlung findet sich auch in den Bildern von Birgit Krenkel, die seit 1992 neben den keramischen Arbeiten entstanden sind. Bis in die strenge Formensprache hinein gibt es Korrespondenzen: Eckiges, Labyrinthisches, scheinbar Abweisendes. Doch wie es der 1955 geborenen Künstlerin hier gelingt, ähnliche Oberflächen wie beim Brennen der Tonobjekte zu gestalten, ist äußerst bemerkenswert. Sie arbeitet mit Asche und Acryl und lässt diese in mehreren Arbeitsprozessen und Schichtungen organische, wie gewachsene Verbindungen eingehen. Es gibt auf den zumeist in Erdtönen gehaltenen Blättern, die oft mit Schwarz und Gold korrespondieren, ebenfalls diese Einschlüsse, Narben, Verwitterungen, die den Betrachter immer mehr ins Bild ziehen.

Die wohl persönlichste Arbeit ist zugleich die größte. Sie bildet das Entree der Ausstellung. Das über einen Quadratmeter große Blatt ist in viele Felder unterteilt. Unzählige Darstellungen der weit verbreiteten Ackerwinde – lästiges Unkraut und altbekannte Heilpflanze – füllen diese aus. Die länglichen Blätter der auch „Teufelsdarm“ genannten, äußerst hartnäckigen Winde erinnern an Herzen. Man kann das gesamte Bild wie einen „Lebenslauf“ lesen. Da ist viel Dunkles, aber auch immer wieder ein satter Goldton oder wenigstens ein Schimmer davon. Man kann sich darin verlieren und anfangen, nach eigenen Lebensschichtungen zu schürfen.

Ähnlich meditativ in der Wirkung sind die grafischen Arbeiten Birgit Krenkels. Auf den seismografischen Tuschezeichnungen aus den Jahren 2007 bis 2009 sind mit unzähligen feinen senkrechten Strichen Täler und Berge eingeschrieben. Deren strenge Schönheit findet sich auch in den waagerecht endlos aneinandergereihten Wörtern oder Sätzen, die durch die verschieden großen Abstände und die unterschiedliche Intensität des Federstrichs eine wellenartige Schraffur erreichen. Und auf anderen Blättern auch von Gegenströmungen gestört werden. Krenkels Chiffren zu erkennen und zu deuten, kann für den aufmerksamen Betrachter zum tiefsinnigen Vergnügen werden. Astrid Priebs-Tröger

bis 30.12., Mo-Fr, von 7.30 bis 17.30 Uhr

Astrid Priebs-Tröger

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