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Eine Wiederentdeckte: Autorin Gabriele Reuter: Effi Briests vergessene Schwester

Die Literaturwissenschaftlerin Annette Seemann stellt in der Villa Quandt eine wahre Bestsellerautorin des 19. Jahrhunderts vor, die in Vergessenheit geraten ist.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Um die Jahrhundertwende zählte sie zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autorinnen – aber wer kennt heute noch Gabriele Reuter? Ihr Roman „Aus guter Familie“ wurde über 20 Mal aufgelegt: Sie war am Ende des 19. Jahrhunderts eine wahre Bestsellerautorin. Heute sind ihre Werke in Vergessenheit geraten.

Die Literaturwissenschaftlerin Annette Seemann hat sich nun in ihrem Buch „Gabriele Reuter. Leben und Werk einer geborenen Schriftstellerin“ intensiv mit dem Leben und Werk der Schriftstellerin beschäftigt. Heute Abend stellt sie ihre Erkenntnisse im Theodor-Fontane-Archiv, in der Villa Quandt vor.

1859 im ägyptischen Alexandria geboren, wächst Gabriele Reuter als Tochter des wohlhabenden Kaufmanns Carl Reuter und dessen Frau Johanna auf. Die Familie lebt wohlhabend, auch die Geburten ihrer vier jüngeren Brüder ändern nichts daran. Da die Kinder kränkeln, siedelt die Mutter 1864 mit ihnen nach Dessau um. Die junge Gabriele sei, so schreibt es Seemann, ein fantasievolles Kind gewesen. Puppen sind in ihrer Welt lebendig, sie erzählt ihnen Geschichten. Mit einem Hauslehrer lernt sie lesen und schreiben und darf später in der Familie der Prinzessin Elisabeth von Anhalt-Dessau verkehren. Gemeinsam mit ihr erhält sie Tanz- und Anstandsunterricht. Im Jahr 1872 ändert sich das Leben der Familie schlagartig, als der Vater stirbt. Die Mutter versucht die Geschäfte in Ägypten aufrechtzuerhalten, kehrt jedoch bald kränkelnd nach Hause zurück. Das Leben wandelt sich vom überschwänglichen Luxus zum Mittelstand. Es folgen mehrere Aufenthalte Reuters bei der Tante in Weimar, erste feuilletonistische Arbeiten und schließlich im Jahr 1888 das erste Buch „Glück und Geld. Ein Roman aus dem heutigen Egypten“.

Ihr großer Erfolgsroman „Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens“ erschien sieben Jahre später, im Jahr 1895. Ein Buch, das – ähnlich wie Theodor Fontanes „Effi Briest“ – die Geschichte einer jungen Frau aus guten Verhältnissen, die an den Anforderungen der Gesellschaft scheitert, erzählt. Seemann widmet sich dem Roman, der in zwei Teile gegliedert ist, in großer Ausführlichkeit. In zwei Kapiteln, die mehr Nacherzählung als Analyse sind, gibt sie die Geschichte wider. Gespickt mit Auszügen aus dem Roman und kleinen Einschüben, die Verbindungen zu Reuters Biografie aufweisen. Die Protagonistin Agathe Heidling ist hin- und hergerissen zwischen sexueller Neugier, ihren hohen moralischen Ansprüchen und verfällt schließlich in eine Art Depressionszustand.

Wie Seemann schreibt, sei die Resonanz auf den Roman enorm gewesen. Sogar Vergleiche mit Goethes „Werther“ soll es gegeben haben. Vor allem die Modernität des Romans wurde gelobt, sowie die Personen und Milieu-Schilderungen – warum „Aus guter Familie“ es allerdings nicht wie Fontanes „Effi“ in den Kanon der Literaturklassiker geschafft hat, bleibt offen. Sarah Kugler

Buchvorstellung heute um 19 Uhr in der Villa Quandt

Annette Seemann:Gabriele Reuter.

Leben und Werk einer geborenen Schrifstellerin (1859–1941). Weimarer Verlagsgesellschaft 2016,

192 Seiten, 28 Euro.

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