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Bei der Arbeit. Der Dirigent Horst Müller in früheren Jahren.

© privat

Kultur: Ein Leben für den gemeinschaftlichen Gesang Horst Müller, der Potsdamer Chorgeschichte schrieb, feierte seinen 80. Geburtstag

Wer gut singt, atmet gut. Man wird Energie los und tankt zugleich neue auf.

Wer gut singt, atmet gut. Man wird Energie los und tankt zugleich neue auf. Und wenn es mit Begeisterung in einem Chor geschieht, dann tut es auch der eigenen Seele und die der anderen gut. Man schwingt im selben Takt. Horst Müller hat es jahrzehntelang erfahren können, weil er Menschen immer wieder zum gemeinsamen Singen ermuntert hat. Und die Sängerinnen und Sänger haben sich einmal in der Woche gern auf den Weg gemacht, um unter der Leitung von Horst Müller anspruchsvolle Chormusik einzustudieren. Denn auf ein qualitätsvolles Interpretieren wurde streng geachtet. Auch an ein entspanntes und humorvolles Proben war dem Dirigenten gelegen. Mit freundlichen Worten wusste er die über 100 Laiensängerinnen und –sänger anzuspornen: „Wir wollen jetzt so singen, wie sich‘s irgendwann mal anhören müsste“ oder „Freut euch doch jetzt schon innerlich, nicht erst beim Konzert.“ Die Singakademie Potsdam hat er zu einem anerkannt leistungsstarken Vokalensemble der Landeshauptstadt geführt. 45 Jahre lang war er ihr Chef. Zugleich schrieb er spannende Potsdamer Chorgeschichte mit.

An seinem 80. Geburtstag am gestrigen Dienstag konnte er dankbar zurückschauen auf ein erfülltes Leben als Chordirigent und Hochschuldozent. Auch die Mitglieder der Singakademie, seine ehemaligen Studenten und viele Hörer erinnern sich mit innerer Freude an wunderbare Musizier-, Studien- und Hörerlebnisse mit Horst Müller, an gemeinsam gemachte Erfahrungen. Der gebürtige Potsdamer sang bereits als junger Mann im Chor, nämlich im Madrigalkreis Potsdam, den er eines Tages übernehmen sollte. Von Karl Landgrebe wurde das Ensemble 1952 gegründet. Als der hoch verehrte Dirigent 1957 in den Ruhestand ging und Potsdam verließ, gab es zwischen den Chören der Stadt Misstöne. Madrigalkreis-Mitglieder sahen das Erbe Landgrebes gefährdet, wechselten zum neugegründeten Oratorienchor, der einst leistungsstarke A-cappella-Chor schrumpfte. Der Berliner Dirigent Fritz Höft, der als Retter bestellt wurde, scheiterte. Horst Müller, der das Staatsexamen im Fach Dirigieren an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin 1958 ablegte, übernahm kurzerhand die künstlerische Leitung des Madrigalkreises. Er führte den Chor mit großer Intensität zu einem Ensemble, der vor allem in puncto Homogenität an Landgrebe-Zeiten erinnerte. Doch Müller setzte natürlich auch neue Akzente. Die Frische und der Elan, mit denen er die Mitglieder zum Singen animierte, begeisterten.

Als ein von der Stadt Potsdam getragener Chor wurde ihm 1969 der Titel „Singakademie der Stadt Potsdam“ verliehen. Neben dem Sinfonischen Chor waren und sind in ihm Kinder-, Jugend- und Kammerchöre vereint. In seiner Frau Ursula, die die Vereinigung von ihren Anfängen her kennt, fand Horst Müller eine wunderbare Begleiterin, vor allem was das Organisatorische betraf. Auch den traditionsreichen Potsdamer Männerchor leitete Horst Müller für wenige Jahre.

Natürlich litt auch Müller darunter, dass es für die großen chorsinfonischen Aufführungen der Akademie in Potsdam keinen adäquaten Raum gab. Man musste hier und da Konzerte geben, anfangs noch im sanierungsbedürftigen Nikolaisaal, im Lindenpark, im Haus der Offiziere in der Hegelallee, in der Sporthalle in der Heinrich-Mann-Allee, im Hans Otto Theater in der Zimmerstraße. Es waren beengte und akustisch unzumutbare Räume. Müller und seine Sängerinnen und Sänger waren froh, wenn im Juni eines jeden Jahres die Parkfestspiele Sanssouci in Sicht waren. Dann konnten sie in der Bildergalerie oder im Ehrenhof am Neuen Palais mit ihrer festlichen Atmosphäre musizieren. Nach der politischen Wende 1989 änderte sich das Bild. Nun sangen sie auch in der Propsteikirche St. Peter und Paul und im neuen Nikolaisaal, der seit 2000 ihre Heimstätte ist. Gern nahm man auch Konzert-Einladungen im In- und Ausland an.

Mit einem weit umspannenden Repertoire von der Barockzeit über die Klassik, der Romantik bis zur Musik des 20. Jahrhunderts wartete der Chor auf, zumeist von Orchestern der Stadt unterstützt. Doch manch ideologisch inspiriertes Werk, das auf Druck der Stadt und des Bezirkes Potsdam aufgeführt werden musste, ist heute vergessen. Horst Müller, so schien es, war in seiner Programmauswahl immer darauf bedacht, Extreme, Einseitigkeit und fruchtlose Experimente zu meiden. Schließlich wollte er die Singakademie-Mitglieder nicht überfordern. Die Freude am Singen sollte überwiegen. Und so erlebte man eine gut vorbereitete Singakademie, eindrucksvolle und warmherzige Aufführungen unter einem Dirigenten, der mit Leidenschaft Chorerzieher war, der sich aber auch an der Musikhochschule intensiv um den Nachwuchs von Chordirigenten mühte. Einer von ihnen war Edgar Hykel, der erfolgreich nach Horst Müllers Abschied in den Ruhestand vor elf Jahren sein unmittelbarer Nachfolger als künstlerischer Leiter der Singakademie wurde. Klaus Büstrin

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