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Jesus als Herrscher oder Weltenrichter? Eine neue These zu der Jesusabbildung in dem Mosaik in der Friedenskirche stellt Thomas-Peter Gallon in seinem Vortrag im Kutschstall vor.

©  Manfred Thomas

Kultur: Ein König als Kunstretter

Thomas-Peter Gallon und seine neue These zum Mosaik in der Friedenskirche

Der Transport war teurer als das Mosaik. Während der Kauf des auf Goldgrund aufgetragenen Wandbildes 385 Taler kostete, musste der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. für die Verschiffung das Fünffache bezahlen. Es war schließlich ein weiter Weg von der Kirche San Cipriano auf der Glasbläserinsel Murano vor Venedig bis nach Potsdam. Zuerst ging es mit dem englischen Frachter „Wave“ durch die Adria, dann um die iberische Halbinsel herum, die Atlantikküste entlang bis nach Cuxhaven. Dort wurde das in 104 Teile zerlegte 60 Quadratmeter große Prachtstück mit der Darstellung des segnenden Christus auf das deutsche Flussschiff „Christian“ verladen. Aufgrund eines Irrtums landete es zuerst in Berlin, bis es endlich im November 1839 in Potsdam abgeladen werden konnte. Für die letzten Meter von der Anlegestelle an der Havel bis zum Hofbaudepot in der Luisenstraße 85 griff man vermutlich auf Pferdewagen zurück, worüber es aber keine Aufzeichnungen gibt. Bis das wertvolle Mosaik in der eigens darauf ausgerichteten Friedenskirche seinen Platz fand, sollten indes noch sechs Jahre vergehen. Lange lagerten die sorgfältig auf Gipsplatten aufgebrachten Mosaikteile in einem extra gebauten Schuppen beim Baugelände der Friedenskirche Sanssouci. Den Glanz dieses ältesten venezianisch-byzantinischen Mosaiks nördlich der Alpen, das aus dem hohen Mittelalter stammt und rund 800 Jahre alt ist, konnte die Öffentlichkeit dann erstmals zur Weihe der Kirche im September 1848 bewundern. Für den Einbau in der Apsis des von ihm selbst entworfenen Gotteshauses musste der König noch mal 1206 Taler hinlegen.

Wenn der in Stahnsdorf lebende promovierte Philosoph Thomas-Peter Gallon am morgigen Mittwoch um 19 Uhr im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte über das weitgehend originalgetreue Mosaik spricht, das er die „Verborgene Perle Potsdams“ nennt, interessiert ihn natürlich mehr als nur die lange Reise.

Anlass, sich eingehend mit dem Mosaik zu beschäftigen, war ein freundschaftlicher Disput mit dem Kunsthistoriker Heiner Krellig aus Venedig, der sich auf Einladung der Freien Universität Berlin in der Friedenskirche umsah. Die Darstellung des thronenden Jesus und seiner Handbewegung führte zu unterschiedlichen Deutungen. Während Krelling in Jesus den Herrscher sah, erkannte Gallon zunächst den Weltenrichter. Im Laufe seiner Forschung kam er aber zu einem ganz anderen Ergebnis: „Dieses Bild erregt keine Furcht vor dem Weltgericht.“ Gallon interpretiert die Segensgeste von Jesus nunmehr als eine Einladung zum Dialog. Mit dieser These geht er morgen das erste Mal an die Öffentlichkeit.

Das von unbekannten byzantinischen Meistern erschaffene Mosaik sei vermutlich von der Witwe eines Geldverleihers gestiftet worden. „Da wollte sie wohl vor Gott ihr Seelenheil erlangen, weil es biblisch verboten war, Geld zu verleihen“, so Gallon. Das Bild drücke eine Fürbitte aus: Johannes der Täufer und Maria sollen Gott anrufen und um das Seelenheil für Dritte bitten. „Das ist ein bekanntes byzantinisches Motiv.“ Gallon wird seine Theorie, dass Jesus im Dialog abgebildet ist, mit Vergleichen untersetzen, die sich auf andere Bildnisse im hohen Mittelalter stützen. Zudem wird der Vortrag mit Fotos des Mosaiks bebildert, die Johannes Gallon, der Sohn des Geisteswissenschaftlers, in der Friedenskirche aufgenommen hat. Sie werden auch einige kleine Schnittspuren zeigen, die beim Auseinandernehmen und Zusammenfügen der 104 Einzelplatten entstanden sind. Der Kronprinz bedankte sich indes persönlich bei den beiden venezianischen Meistern, die die schwierige Arbeit des Abnehmens und der „Zerlegung des kolossalen Bildes in viele einzelne Kugelstücke“ auf eine sehr vollkommene Weise ausgeführt hätten.

Dass dieses Mosaik überhaupt nach Potsdam kam, ist einer Italienreise des Kronprinzen zu verdanken. Der spätere „Romantiker auf dem Thron“ war 1828 unter anderem in Venedig unterwegs und im Markusdom so überwältigt von den Bildnissen, dass er seiner diplomatischen Vertretung den Auftrag erteilte, für ihn ein Mosaik zu erwerben. Und tatsächlich ergab sich 1834 die Gelegenheit dazu, eines zu ersteigern. Es befand sich in der um 1800 aufgegebenen Klosterkirche auf Murano , die zuvor von Benediktinermönchen betrieben wurde. Ein Geschäftsmann hatte das entweihte Kloster erworben und das ganze Inventar verkauft. Übrig blieb nur noch das Mosaik und das ersteigerten nun die Diplomaten auf Weisung des künftigen preußischen Königs.

„Es war also kein Kunstraub und es gibt auch keine Rückforderung aus neuerer Zeit“, sagt Gallon. Der Kronprinz habe das Kunstwerk vielmehr vor der Zerstörung gerettet. Denn es gab vom neuen Besitzer der einstigen Kirche auch Überlegungen, die Steinchen als Rohmaterial für die Restaurierung von Mosaiken in San Marco stückweise zu veräußern. Davor hat der Kronprinz es letztlich bewahrt. So wurde also das Mosaik streifenweise abgetragen und in der Friedenskirche wieder angebracht. Eine spektakuläre Meisterleistung, die bis heute der Apsis in der Friedenskirche eine große Strahlkraft verleiht.

Vortrag am morgigen Mittwoch um 19 Uhr im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt. Der Eintritt ist frei

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