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Illumination. Das Theater Nadi.

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Kultur: Ein bewährtes Erfolgsrezept Besucheransturm zur

7. Langen Theater-Nacht

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Man muss sich entscheiden, ob man das ganze Menü genießt oder nur kleine Happen probiert. Bei der 7. Langen Nacht der Freien Theater gab es am Samstag viele Besucher, die ab 19 Uhr das T-Werk bevölkerten und es auch erst nach Mitternacht wieder verließen. Das Erfolgsrezept: Theater satt, dazu eine Prise Live-Musik, genügend Pausen zum Relaxen, ein kleines leckeres Büfett und obendrein noch Open-Air-Aktionen im Schirrhof. Sieben freie Theater-Gruppen aus dem Land Brandenburg waren beteiligt.

Entschied man sich für die unbekannten Kostproben des diesjährigen Events, war man um 20.30 Uhr auf die Probebühne eingeladen. Dort präsentierten Barbara Stützel und Julia Strehler vom Neuen Volkstheater Fläming aus Niemegk einen Dialog, wie man ihn nicht alle Tage erlebt. Die Witwe George Washingtons (Barbara Stützel) lädt kurz nach seinem Tod dessen langjährige Geliebte Silvia (Julia Strehler) zu einem Gespräch in ihr Landhaus ein. Was die vermeintlichen Rivalinnen sich zu sagen haben, hat der kroatische Autor Miro Gavran in seiner Tragikomödie „Das Geheimnis“ aufgeschrieben.

In der vollbesetzten Probebühne verfolgten die Besucher nahezu atemlos das dichte, psychologisch ausgeklügelte Gespräch, das so viele Facetten menschlicher Liebe pointiert beleuchtete. Berührender Höhepunkt die „Beichtszene“, in der die betrogene Gattin der Geliebten Einblicke in ihre Intimsphäre gewährt. Viel Beifall für die Schauspielerinnen, die in karger Kulisse aber mit starker Präsenz die Spannung fast eine Stunde lang am Kochen hielten.

Inzwischen stand der Mond als schmale Sichel am Himmel, sodass die passende Kulisse für die „Irrlichter der Nacht“ vom Potsdamer Theater Nadi wie von selbst erschienen war. Steffen Findeisen und Noriko Seki schwebten in ihren illuminierten Barockkleidern über den Schirrhof und hinterließen neben weißen Flaumfedern, die leicht im Wind trieben, einen poetischen und sehr erdenfernen Zauber, den allerdings die dröhnenden Musikboxen empfindlich störten. Diese seit geraumer Zeit bewährte und inzwischen verfeinerte Open-Air-Performance war die Überleitung zu einem weiteren Theaterblock.

Ab 22 Uhr war die Qual der Wahl besonders groß, wollte man doch, wenn man sich für die Kostprobenvariante entschieden hatte, die beiden bisher unbekannten Produktionen sehen, was so aber leider nicht möglich war. Als der Pragmatismus siegte, entschied man sich für „Die Kleistspur“ vom Potsdamer Theater Marameo, das im diesjährigen Kleistjahr den „Prinzen von Homburg“ einstudiert und im August damit in Potsdam gastiert.

Nach gerade mal einer Woche Probenzeit präsentierten die Mimen um Regisseur Andreas Lüders eine wortmächtige Collage aus Szenenausschnitten, Zeitungsartikeln und Briefen, die die innere Zerrissenheit und die finanziellen Nöte des Dichters, der 1811 Selbstmord beging, eindringlich spiegelte, sodass man gespannt auf die Ergebnisse des weiteren Probenprozesses wartet. Sich danach noch in die Szenen vom „Hafthaus“ vom Berliner theater 89 zu begeben, war zu vorgerückter Stunde eine große Herausforderung, verarbeitet diese Produktion doch die Erinnerungen des ehemaligen HOT-Theaterintendanten Ralf-Günther Krolkiewicz an seine Zeit im Potsdamer Stasigefängnis. Wem das an diesem Abend zu viel war, der kann bereits im Juni „Hafthaus“ wieder am authentischen Ort in der heutigen Gedenkstätte Lindenstraße sehen.

Summa summarum: Der siebte Jahrgang bot viel Bekanntes, neben dem Erwähnten beispielsweise auch die Oxymoron-Produktion „Under pressure“ und die Poetenpack-Inszenierung „Mein Kampf“. Die dramaturgische Linie des Abends indes war vielseitig und anspruchsvoll, existenzielle Grundfragen bildeten dabei genauso den Schwerpunkt wie die Potsdamer Gruppen. Als langjähriger Besucher wünscht man sich jedoch, dass in Zukunft mehr Produktionen aus dem gesamten Land Brandenburg zu sehen sind. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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