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Kultur: Ein Aufatmen – nach sieben Jahren

Potsdams Komponist Alex Nowitz schrieb „Die Bestmannoper“, die den Fall des Massenmörders Alois Brunner aufgreift. Die Uraufführung ist in Osnabrück. In Potsdam fand er keine Verbündeten

Er fühlt sich ausgebrannt. Die vergangenen Monate seien ein Höllenritt gewesen. Am Ende musste er sich fast überschlagen, um rechtzeitig die Noten für die einzelnen Stimmen fertig zu bekommen. Schließlich durfte sich der Probenbeginn nicht verzögern, nachdem er endlich – nach sieben Jahren – Verbündete für sein Opernprojekt gefunden hatte. Bis ans Theater nach Osnabrück fährt der Potsdamer Komponist Alex Nowitz für die Uraufführung der „Bestmannoper" am 8. April. In seiner eigenen Stadt und auch in Berlin fand er keine Mitstreiter für sein hoch ambitioniertes Vorhaben.

Seine Oper reibt sich an dem Fall Alois Brunner, der für die Deportation Tausender Juden in die Vernichtungslager verantwortlich war. Noch Mitte der 80er Jahre brüstete sich der einstige Freund und engste Mitarbeiter von Adolf Eichmann damit, Wien judenfrei gemacht zu haben. Bis heute sind die Taten des vermutlich in Syrien untergetauchten Nazis ungesühnt.

Als Alex Nowitz 1999 im Fernsehen eine Dokumentation über die Geschichte des Massenmörders sah, war er wie geschockt, aber auch elektrisiert. „Es war eine ganz tolle Recherchearbeit von Georg M. Hafner und Esther Schapira, die das schützende Netzwerk für diesen Unverbesserlichen genauestens aufzeigte. Brunner ist einer der prominentesten Nazis, der nie gefasst wurde. Und um diesen Skandal geht es. Nicht umsonst heißt der letzte Satz unserer Oper: ,Unsere Feinde sind unsere Freunde“. Denn an dem Schutz Brunners arbeiteten viele: der Vatikan hatte ebenso wie der BND und der CIA die Hände im Spiel. Egal in welchem politischen System man sich umschaut, die von Bösartigkeit getriebenen Menschen werden offensichtlich immer wieder gebraucht.“ Zuletzt arbeitete Brunner für den syrischen Geheimdienst.

Den aus Bayern stammenden jungen Komponisten interessierte vor allem die Absurdität hinter diesem Fall, „der fast wie ein Comic-Strip wirkt. So etwas kann man sich gar nicht ausdenken.“ Nowitz wusste, dass auf literarisch-theatralischer Ebene das Thema des Holocaust künstlerisch bereits „abgearbeitet“ ist. Aber diese Groteske in Musik zu fassen, über den historischen Kontext hinaus gehend, darin sah er für sich eine große Herausforderung. „Man kann die ganze Nazizeit und Nachkriegsgeschichte daran erzählen, bis hin zu den Völkermorden in Bosnien oder Ruanda.“

Er habe sich bewusst ein Thema gewählt, an dem er sich richtig messen kann: Mit all“ der dazu gehörigen Angst. „Natürlich stand ich immer wieder vor der Frage: Habe ich den langen Atem? Denn nicht nur künstlerisch war es eine Arbeit, die an Grenzen geht.“ Auch das Klinkenputzen gehörte dazu, um Partner ins Boot zu holen.

Die ersten gewann er relativ schnell. Da war das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, das ihn unterstützte, um an das Recherchematerial des Südwestrundfunks zu dem Dokumentarfilm „Die Akte B“ und darüber hinaus heran zu kommen. Aus seiner Studentenzeit kannte er wiederum den Journalisten Ralph Hammerthaler, den er als Librettisten gewann, obwohl der beim Thema Nazis erst einmal abwinkte. „Er merkte aber schnell, dass es über das Thema hinaus ging und begeisterte sich dann auch sofort.“ Der Dritte im Boot war der freie Potsdamer Regisseur Horst-Joachim Lonius, mit dem Nowitz am Puppentheater in Halle schon den „Othello“ gemeinsam auf die Bühne gebracht hatte. „Ich konnte natürlich beide nicht bezahlen, deshalb hat das Projekt auch so lange gedauert.“

Er selbst erhielt vom brandenburgischen Kulturministerium und der Stiftung Kulturfonds Unterstützung, und auch die Konrad Adenauer Stiftung half mit einem Stipendium. „Umso trauriger finde ich es, dass sich kein Potsdamer Kulturträger fand, das Werk auf die Bühne zu bringen. Vom Hans Otto Theater und vom Nikolaisaal bekam ich nicht einmal eine Antwort auf meine Anfragen. Es ist schon eine Arroganz, der man sich da gegenüber sieht. Hier geht es ja nicht nur darum, dass sich ein Potsdamer Komponist profilieren will. Die inhaltliche Ebene hätte doch zumindest interessieren müssen.“

Und ein unbeschriebenes Blatt ist Alex Nowitz längst nicht mehr. Er komponierte Kammermusik für unterschiedliche Besetzungen, von Werken für Tanz-, Sprech- und Musiktheater sowie für elektronische Musik. Bei den jährlichen Potsdamer Intersonanzen glänzte er mit Uraufführungen, u.a. seiner „Musik für neun Instrumente", und auch in der fabrik überzeugte er als Komponist und Performer bei dem Tanzstück „Screaming Popes“, das im nächsten Jahr auch nach Vancouver eingeladen ist. Alex Nowitz schreibt nicht nur Musik, er singt und pfeift sie auch. Immer wieder ist es die Improvisation, die ihn vorantreibt, „das Komponieren im Augenblick, das vor allem aus dem Unterbewusstsein kommt. Man muss sich auf die Spur der Ahnung begeben, die schließlich wie ein Baum heranwächst und sich immer weiter verästelt.“ Und schließlich zu einem so stämmigen Werk wie „Die Bestmannoper“ gedeiht, die zwei Stunden dauern wird.

Inszeniert wird sie nun von Immo Karaman. Alex Nowitz setzt sich öfter in den Zug nach Osnabrück, um bei den Proben dabei zu sein. „Karaman geht sehr behutsam mit den Darstellern um. Enttäuscht war ich allerdings, dass er die Figur des Alois Brunner in eine SS-Uniform gesteckt hat. Das nimmt ihr etwas von der Überhöhung, die wir gesucht haben. Bei den anderen Rollen folgte er aber der Überzeichnung.“

Dem Negativheld stellte Alex Nowitz musikalisch Serge Klarsfeld gegenüber, der viele Nazigrößen hinter Gittern brachte. Er heißt in der Oper „Jaccuse“: „Ich klage an“, in einer poetischen Form.

Seine Musik sei handlungsorientiert, sagt der Komponist. „Sie zeichnet die Vorgänge zwischen den Figuren, die Beziehungsentwicklung, beschreibt Zustände und Befindlichkeiten. Es ist also eine traditionelle Form der Musik, wie wir sie aus der Oper kennen, um die Geschichte voran zu treiben. Es soll nichts im Experimentellen verloren gehen.“ Die Enge einer Guckkastenbühne sei der Ort, wo die Geschichte erzählt wird. Aber es gebe auch Instrumentalstimmen, die den Raum seitlich erweitern: „eine Verräumlichung der Musik, wie wir sie von Stockhausen kennen. Das Innenleben des Nazijägers erfährt damit eine Ausdehnung.“

Es stecke sehr viel Herzblut in diesem Werk, bei dem Alex Nowitz alle musikalischen Register ziehen konnte. Nun hofft er nicht nur auf eine erfolgreiche Premiere, sondern auch, dass es nach der Uraufführung mit dem Projekt in anderen Städten weiter geht. Auch Potsdam will er noch nicht verloren geben. „Die städtische Bühne Osnabrück stemmte es, weil die Leute dort hoch motiviert sind. Gerade die heutige Oper braucht Sympathisanten. Während das Sprechtheater mit der Zeit gegangen ist, hat die Entwicklung um das Musiktheater einen großen Bogen gemacht. Auch Potsdam tut sich darin hervor, eine Musealisierung von Kultur zu betreiben,“ so der Komponist.

„Man muss dann nach vorne“, heißt es in Alex Nowitz'' Oper. Ein Werk, das sich also in viele Richtungen denken lässt.

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