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Kultur: Eigenwillige Handschriften

Mit „Kurzen Stücken“ klangen am Sonntag die 18. Potsdamer Tanztage aus

Die 18. Potsdamer Tanztage sind Geschichte. An zwölf Tagen erlebten 4000 Besucher mehr als zehn verschiedene Tanzproduktionen auf der großen Bühne in der fabrik, ein vielfarbiges Familienfest zur Halbzeit, acht Musikbands zur allabendlichen Unterhaltung und Workshops. Doch so eine Statistik sagt nicht alles. „Der Tanz bewegt die Stadt“ war in diesem Jahr das herausfordernde Motto. Und die Potsdamer ließen sich bewegen, wie Christin Cammradt vom Organisationsteam sagte. Viel mehr als sonst.

Sie strömten dabei genauso zu den Deutschlandpremieren internationaler Tänzer und Akrobaten wie zur beeindruckenden „Still Lives“-Produktion mit Potsdamer Laientänzern zur Eröffnung. Aber ganz besonders in die Aufführung der stadtbekannten Gruppe Oxymoron sowie zu den Livekonzerten des Duos Hasenscheiße, vom Trio Mückenheimer und des Moskauer Musikers Karl Hlamkin. Und sie nahmen auch die begleitenden Zuschauergespräche und die Workshopangebote mit großer Offenheit an.

Genau die legten die Besucher auch am letzten Abend an den Tag. Angekündigt waren „Kurze Stücke“: Premieren, Experimente und Improvisationen. Fünf Choreografinnen mit sehr unterschiedlichen tänzerischen und dramaturgisch eigenwilligen Handschriften stellten sich – an ganz verschiedenen Punkten ihres Arbeitsprozesses stehend – den kritischen Augen des Publikums. Stephanie Maher aus Berlin improvisierte zum Thema „Sabotage“ und tat erst mal nichts, als quälend lange auf einem Stuhl auf der leeren und dunklen Bühne zu sitzen. Wesentlich dynamischer wurde ihre Vorführung erst, als ihr zweites, ziemlich schrilles Outfit zum Vorschein kam und die Tänzerin zuerst in Englisch und dann mit gespieltem französischen Akzent ihr „Anliegen“ kommentierte. Unschlüssigkeit, Ängste und Nicht-Handeln-Können fanden dann zum Schluss ein treffendes Bild in ihrem „Schubkarre-rückwärts-Abgang“.

Freundlichen Beifall erhielten auch die darauffolgenden Aufführungen der Compañía Pendiente aus Barcelona und von Isabell Gerschke und Andy Arndt aus Potsdam. Die Spanierin erkundete gemeinsam mit der Cellistin Frances Bartlett den Raum zwischen Musik und Tanz, ohne allerdings eine Hierarchie zwischen beiden festzulegen. Die poetischen Bilder blieben genau wie die schwermütige Musik von Peter Sculthorpe in einem anhaltenden Schwebezustand. Dem völlig entgegengesetzt war das, was die aus Film und Fernsehen bekannte Potsdamer Schauspielerin und Tänzerin Isabell Gerschke gemeinsam mit Oxymoron-Tänzer Andy Arndt kreierte. „Liebe ist ewiges Bemühen“ war es überschrieben und es zeigte ein Paar im Ringen um Nähe und Distanz. Sehr eindeutig die Bilder von weiblichem Schmerz, männlicher Grenzüberschreitung und wechselseitiger Verletzung.

Ungemein berührend war bereits das Eingangsbild der britischen Choreografin und Tänzerin Claire Cunningham: Ein fragiler „schwarzer Schwan“ zwischen zwei Paar Krücken, die rechtwinklig auf den Boden gelegt, dessen Lebensraum klar und eindeutig begrenzen. Was die seit ihrer Geburt an Muskelschwäche leidende Tänzerin dann mit diesen Krücken und ihrem Körper „bewegt“, lässt sich wiederum kaum in Worte fassen. Sie wirkt mal wie ein riesiges hilfloses Insekt und gleich darauf wie ein kraftvoller himmelstrebender Ikarus. Ihre sehr authentische Performance „Evolution“ lässt den Betrachter einmal mehr die Begrenzungen von vorschnellen Zuschreibungen und kollektiven Denkens deutlich spüren. Claire Cunningham zeigt mit beeindruckender Kraft und Beweglichkeit, mit Ernsthaftigkeit und wunderbarem Humor nicht nur ihren überaus vitalen Körper. Großer Jubel für diese Aufführung, die der unbestrittene Höhepunkt des letzten Abends war und der mit Jessyka Watson-Galbraith und ihren 15 Mittänzerinnen einen vor Lebens- und Tanzlust sprühenden, begeistert aufgenommenen Abschluss fand.

Astrid Priebs-Tröger

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