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Täuschend echt. Daniel Riedls Figur „Meet me there“.

© Steve Schulz/Supermarkt/promo

Kultur: Echte Maskerade

Noch bis Samstag: Ausstellung „Körperkontakt“ in der Galerie „Supermarkt“. Münchner Studenten fragen, was eigentlich ein Star ist

Von Helena Davenport

James Austin lässt den Rollladen vor seiner Golmer Galerie hoch und schon blitzt er einem entgegen: der Blick einer jungen Frau, die in einer Badewanne sitzt und ihren Oberkörper Richtung Tür gedreht hat. Schonungslos scheint er, weil sie keine Miene verzieht. Ist sie perplex, gar fassungslos, weil man sie in einem solch privaten Moment gestört hat? Erst bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass ihr Blick versteinert ist, ihre Augen leer und ihr Silikonkörper regungslos.

Die Skulptur „Meet me there“ von dem Masterstudenten Daniel Riedl stellt Austin derzeit im Rahmen der Ausstellung „Körperkontakt“ in seiner Galerie „Supermarkt“ aus. Insgesamt sind vier Abschlussarbeiten aus dem Studiengang Maskenbild, Theater und Film der Münchner Theaterakademie August Everding zu sehen. Außerdem präsentiert Austin Fotoarbeiten von Sylwia Makris, Christian Martin Weiss und von dem Potsdamer Alexander Magerl.

Betritt man den ehemaligen Einkaufsmarkt, möchte man dichter an die Badende heran und fühlt sich in seiner Neugier ertappt. Doch man wird schnell enttäuscht. Das Nähertreten bringt keine menschliche Nähe. Die junge Frau wirkt wie weggetreten, bleibt eine Maske. Ist es nicht sonst eher ein Auftritt vor der Öffentlichkeit, der eine Maske notwendig macht? Im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds werden Stars nachgestellt, keine Privatpersonen. Riedl aber hat den Spieß umgedreht.

Überhaupt spielt das Thema Authentizität eine große Rolle in der Ausstellung. Der Student Steffen Roßmanith etwa schlüpfte für sein Video „Burn Bright“ in die Rollen von fünf Ikonen. Täuschend echt verwendet er die von ihnen bekannte Maskerade, bewegt sich wie sie auf der Bühne. Bis der Besucher genauer hinschaut: Plötzlich hat Marilyn Monroe Brusthaare. Roßmanith wirft die Frage nach der Bedeutung des menschlichen Körpers auf. Und: Was ist eigentlich ein Star? Spielt die Person hinter der Fassade überhaupt eine Rolle?

Ihm sei es in erster Linie wichtig gewesen, dass die Arbeiten zugänglich und ohne Vorwissen verständlich sind, sagt Austin. Außerdem legt der Galerist viel Wert auf das Beherrschen der jeweiligen Technik. Er finde es schade, dass in der zeitgenössischen Kunst der Fertigkeit so wenig Bedeutung beigemessen werde, sagt er. Bei Sylwia Makris habe ihn sofort der Schaffensprozess begeistert. Die Künstlerin stellt Motive bekannter Gemälde nach, um diese dann auf ihren Fotografien festzuhalten. Für den Druck verwendet sie hochwertiges Barytpapier, das sie anschließend mit Lack bestreicht, um die feinen Risse, die die Oberflächen von älteren Werken charakterisieren, nachzuahmen. Ornamenthafte Muster fügt sie mittels Photoshop hinzu. In Golm hängt etwa die Schauspielerin Nora Tschirner als Judith samt Haupt von Holofernes. Auch Makris hinterfragt die Bedeutung von Echtheit. Die Haut der Porträtierten ist so makellos, das Spiel von Licht und Schatten so fehlerfrei – während die Gemälde von damaligen Schönheitsidealen erzählen und auch von einer vorherrschenden Darstellungsweise, zeugen Makris Bilder allerdings auch von den Idealen der heutigen Fotografie.

Der Masterstudent Julian Hutcheson spielt mit der ambivalenten Beziehung zwischen Mensch und Natur. Er hat eine Silikonfigur entworfen, die beides ist: oben Mann, unten Baum. Mit aller Kraft scheint sich der Mann von seinen Wurzeln befreien zu wollen. Schafft er es? Was würde wohl passieren, könnte sich der Mensch komplett von seiner natürlichen Beschaffenheit trennen? Die Figur schafft es jedenfalls nicht, ihr Titel lautet: „Dead End“. Helena Davenport

„Körperkontakt“, Supermarkt, Potsdam-Golm, Reiherbergstraße 14, noch bis 16. Juni, 11 bis 18 Uhr

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