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 Die Autorin Alexa Hennig von Lange. 

© Karlheinz Schindler/dpa

Duve und Hennig von Lange bei Lit:Potsdam: Zwei Frauen, zwei Epochenbilder

Karen Duve und Alexa Hennig von Lange stellten bei Lit:Potsdam ihre aktuellen Romane vor. So richtig zusammen kamen sie im Gespräch nicht. 

Potsdam - Kurz vor 19 Uhr schaut Karin Graf, Kuratorin der Literaturfestivals Lit:Potsdam, auf ihr Handy: „So, ich hole jetzt mal die Mädels.“ Wenige Minuten später sitzen die Mädels – gemeint sind die Autorinnen Karen Duve und Alexa Hennig von Lange sowie die durch die kommenden 90 Minuten führende TV-Moderatorin Astrid Frohloff – auf der improvisierten Bühne der ausverkauften Villa Quandt.

Zuerst liest Alexa Hennig von Lange. Ihr jüngster Roman „Kampfsterne“ spielt im Jahr 1985 und erzählt die Geschichten dreier Paare und deren Kinder. Durch tagebuchartige Eintragungen der einzelnen Protagonisten lässt Hennig von Lange ein multiperspektivisches Panoptikum entstehen, das hinter die Fassaden seiner Figuren schauen lässt und zu erkennen gibt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Selbstzweifel, Gewalt und Alkoholmissbrauch bilden das Fundament einer nach außen hin scheinbar intakten Gesellschaft, die gerade dabei ist, sich von „schwarzer Pädagogik“ zu verabschieden, um neue, progressivere Wege zu beschreiten. 

All das erzählt die Hannoveraner Autorin, die mit ihrem Debüt „Relax“ 1997 den vorwiegend männlichen Stimmen deutschsprachiger Popliteratur, etwa von Benjamin von Stuckrad-Barre oder Christian Kracht, eine weibliche hinzufügte – eine ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Witz, Ironie und Geschwindigkeit. Auf die Frage, weshalb ihre Figuren so und nicht anders miteinander agieren, antwortet Hennig von Lange: „Das weiß ich auch nicht“, und begeht eben nicht den bei Autorinnen und Autoren beliebten Fehler dem Publikum ihren Text zu erklären.

Roman über Annette von Droste-Hülshoff

Karen Duve wendet sich in ihrem Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ der Schriftstellerin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff zu, um an ihrem Beispiel jene Konflikte und Verwerfungen zu verdeutlichen, denen sich junge, gebildete und ehrgeizige Frauen im frühen 19. Jahrhundert ausgesetzt sahen. Duves mit einer 18-seitigen Bibliografie daherkommender Roman zeichnet über die Biografie von Droste-Hülshoff hinaus ein Porträt nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der intellektuellen Szene jener Zeit und markiert auf diese Weise besonders eindrücklich die Diskrepanz zwischen aufgeklärtem Intellektualismus und tatsächlichen, rigiden Lebensumständen.

Karen Duve.
Karen Duve.

© Karlheinz Schindler/dpa

Rage gegen Bedachtheit

Die Idee, zwei starke, unterschiedliche Stimmen gemeinsam auf eine Bühne zu bringen, ist so ambitioniert und verlockend wie zweischneidig: Einerseits entwickeln die Autorinnen verschiedene Perspektiven auf ähnliche Themen, andererseits laufen sie Gefahr, verglichen zu werden, was weder der einen, noch der anderen gerecht werden kann. Alexa Hennig von Lange liest sich – den unterschiedlichen Figuren ihres Textes eigene Stimmen gebend – fast in Rage. Ihr Text strotzt vor Humor und unterhält köstlich; sie ist gelernte Entertainerin und brachte es bereits 2001 fertig, Harald Schmidt in dessen Late Night Show auf Augenhöhe zu begegnen. 

Duves Anspruch ist ein völlig anderer. Sie liest getragen und mitunter etwas monoton einen gründlich recherchierten Text, der zwar auch unterhalten, aber – so wirkt es stellenweise – auch belehren, zumindest bilden will, was grundsätzlich wunderbar funktioniert, aber im direkten Vergleich zu Hennig von Lange mitunter langatmig und kontrastarm wirkt. In ihrer Unterschiedlichkeit eint die beiden jedoch eines, nämlich der erzählerische Anspruch, eine Epoche abzubilden. 

Christoph H. Winter

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