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Kultur: Dünnes Eis

Über den Umgang mit Armut: Uraufführung von „Guten Tag Schönes Leben“ im T-Werk

Rico braucht Geld. Für den Theaterbesuch mit seiner Klasse, zum Haare schneiden und für einen neuen Farbdrucker. Keine außergewöhnlichen Wünsche für einen 16-jährigen Gymnasiasten. Doch seine Mutter kann ihm nichts außer der Reihe geben. Denn das monatliche Haushaltsbudget ist äußerst knapp bemessen. Rico ist die Hauptfigur in Günter Jankowiaks und Ingrid Ollroges neuem Stück „Guten Tag Schönes Leben“, das am Freitag im T-Werk zur Uraufführung kam.

„Über Armut und den Umgang mit ihr“ heißt es in seinem Untertitel und es ist Teil und Höhepunkt eines seit mehreren Monaten stattfindenden Projekts zum Thema Armut, mit dem die Theatermacher und -pädagogen des Theaters Havarie gerade junge Menschen erreichen und für diese Thematik sensibilisieren wollen. Denn sie stellten bei ihren Recherchen und in Workshops mit Jugendlichen an Potsdamer Schulen fest, dass das Thema zwar präsent ist, aber meistens tabuisiert wird. Auch von Ricos Klassenkameraden ahnt niemand, dass er selbst ein „Hartzer IV“ ist, denn er verwendet viel Energie und Kreativität darauf, die anderen nicht merken zu lassen, wie es wirklich bei ihm zu Hause aussieht. Als die dänische Austauschschülerin Josefine (Alexandra Groß) bei ihm übernachten will, wird es ziemlich eng für ihn und sein kunstvoll errichtetes Lügengebäude ist immer mehr vom Einsturz bedroht.

Diese Alltagsgeschichte und ihre vielfältigen Hintergründe eindrücklich darzustellen, ist den Autoren und der Regie (Ingrid Ollrogge) überzeugend gelungen. Vlad Chiriac als Rico und Mareike Jaeger als seine Mutter spielen diese von der Arbeitslosigkeit gebeutelte Kleinfamilie mit genauer Figurenzeichnung und starken Gefühlen, auch wenn sie in der kaleidoskopischen Szenenfolge nicht allzu viel Raum dafür haben. Schnell wird klar, wie dünn das Eis ist, auf dem sie sich bewegen und wie groß die Angst beider, an den Umständen selbst zu zerbrechen. Auch die besser gestellten Mitschüler Max (Hannes Hohgräve) und Paul (Thorsten Junge) lassen deutlich werden, was sich in nicht wenigen Schulklassen so oder ähnlich heutzutage abspielt.

Und doch ist dieses Stück für Jugendliche ab 13 keine dokumentarische Sozialstudie. Das ist auch gut so. Allerdings fragt man sich – wenn man den Untertitel als Absichtserklärung versteht – was die „Rahmenhandlung“ von „Guten Tag Schönes Leben“ bei den Zuschauern eigentlich bewirken soll. Zwei schillernde Phantasiefiguren – Entertainer, Werbefuzzis oder Engel? – namens Baci Bu (Thorsten Junge) und Strengel Stramm (Hannes Hohgräve) „philosophieren“ zu Beginn locker flockig über Glücklichsein und „Lebensbewältigungsstrategien“. Kurz darauf öffnen sie einen blauglänzenden Vorhang und geben den Blick frei auf Ricos Geschichte, deren Tiefpunkt dann wieder dahinter verschwindet. Stattdessen „phantasieren“ die beiden Typen ein kitschiges Happy End herbei. Das hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits könnte man das Ganze als „Medienschelte“ verstehen, andererseits ist es aber auch dazu geeignet, zur Bagatellisierung des vorher Gezeigten beizutragen.

Obwohl das Premierenpublikum begeistert Applaus klatschte, blieben Fragen offen, die in den angekündigten kommenden Zuschauerdiskussionen möglicherweise zur Sprache kommen werden. Astrid Priebs-Tröger

Nächste Vorstellungen vom 12. bis 14. Februar jeweils 11 Uhr im T-Werk.

Astrid Priebs-Tröger

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