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Kultur: Dritte SchulKino- Wochen

Wolfgang Lötzsch war gerade zwanzig als sein Lebenstraum zerplatzte. Der „begnadete Radrennsportler“, so sein damaliger Trainer über ihn, wollte Friedensfahrer werden, Weltmeisterschaften gewinnen und in seiner Sportart Olympiasieger werden.

Wolfgang Lötzsch war gerade zwanzig als sein Lebenstraum zerplatzte. Der „begnadete Radrennsportler“, so sein damaliger Trainer über ihn, wollte Friedensfahrer werden, Weltmeisterschaften gewinnen und in seiner Sportart Olympiasieger werden. „Alles andere war (sowieso) tabu“ für den ehrgeizigen Sportler aus der damaligen DDR. Tabu war auch, als staatlich geförderter Leistungskader nicht die nötige politisch-ideologische Reife zu zeigen, sprich „freiwillig“ Kandidat der SED zu werden. Lötzsch lehnte dies – anfangs aus jugendlichem „Leichtsinn“ – ab und wollte nichts weiter als Radfahren.

Welche Konsequenzen diese Entscheidung für sein weiteres Leben hatte, konnten Schüler aus Potsdam und Werder gestern zur Eröffnung der 3. Brandenburgischen SchulKinoWochen im Dokumentarfilm „Sportsfreund Lötzsch“ im Filmmuseum sehen. Die Neunt- und Zehntklässler hatten, wie der 15-jährige André, bisher noch nicht viel über die jüngste deutsche Vergangenheit erfahren. Im Geschichtsunterricht ist seine Klasse erst beim 1. Weltkrieg angekommen und warum genau eine Badestelle in Petzow von den Einheimischen als „Stasistrand“ bezeichnet wird, kann er sich nicht wirklich erklären.

Das Regieteam Sandra Prechtel und Sascha Hilpert, die genau wie der Protagonist des Films zur Eröffnung zu Gast waren, hatte aus einem Buch vom Schicksal Lötzschs erfahren und war sehr gespannt, diesen außergewöhnlichen Menschen kennen zu lernen. Denn Lötzsch ließ sich durch nichts und niemanden von seinen sportlichen Zielen abbringen. 1972 wurde er offiziell vom professionellen Leistungssport ausgeschlossen und durfte in seiner Freizeit nur noch für Betriebssportgemeinschaften an den Start gehen. Mit großer Disziplin und eisernem Willen gelang es ihm dennoch, die damaligen DDR-Olympiakader in diversen Rennen auf die Plätze zu verweisen.

Das und seine zunehmende Opposition gegenüber dem Staat rief die Staatssicherheit auf den Plan, die im operativen Vorgang „Speiche“ jahrelang nicht nur 50 IM´s auf ihn ansetzte sondern, den mit geheimdienstlichen Mitteln in die Enge Getriebenen, auch dazu brachte, nicht nur einmal einen Ausreiseantrag zu stellen. Unterstützer von Lötzsch, wie sein Trainer Wolfgang Schoppe, wurden ebenfalls massiv unter Druck gesetzt und als sie sich entschlossen, Nein zu sagen, beruflich kaltgestellt.

Der engagierte Film von Prechtel und Hilpert zeigt jedoch auch die Ja-Sager. Menschen, wie den ehemaligen Stasi-Major Engelhardt, die bis heute meinen, dass sie "Wolfgang Lötzsch vor allem vor sich selbst geschützt haben". Wie perfide dieses System war, wird vor allem in seinen Aussagen im Film deutlich, aber auch darin, dass Lötzsch, nach einer Gefängnisstrafe wegen staatsfeindlicher Hetze, zur Rücknahme seines Ausreiseantrags gebracht wird und mithilfe der Staatssicherheit wieder in den DDR-Alltag eingegliedert wird. Major Engelhardt setzt sich "sogar" dafür ein, dass Lötzsch wieder professionell trainieren darf, was allerdings misslingt. „Jetzt verstehe ich die Zeit viel besser“, sagte André nach dem Film und der Diskussion. Als Plädoyer für Zivilcourage, gegen falsche Ostalgie und das allzu schnelle Vergessen sollten ihn im Laufe der diesjährigen SchulKinoWochen, die bis zum 19. Dezember stattfinden, noch möglichst viele, nicht nur junge Zuschauer sehen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-TrögerD

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