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Ursula und Rainer Sperl sind mit ihrer Galerie in die Brandenburger Straße 40 gezogen.

© Andreas Klaer

Dreißig Jahre Galerie Sperl: Wehrhafte Kunstoase

Seit 30 Jahren betreiben Ursula und Rainer Sperl ihre Galerie in Potsdam. Von sechs Umzügen haben sie den jüngsten gerade hinter sich – und feiern das mit „Kleinen Formaten“.

Potsdam - Im April 1991 vermeldet diese Zeitung einen „bedeutenden Tag für Brandenburg“. Der Grund dafür liegt mitten im noch unsanierten Holländischen Viertel, in der Mittelstraße 30 – damals ein zum größten Teil noch verfallenes Häuserareal. Es habe dichtes Gedränge geherrscht, so der Artikel, denn es sei eine „Kunstoase“ entstanden. Der Name der Oase: Sperl Galerie.

Zu DDR-Zeiten gab es keine privaten Galerien, die Sperls gehören zu den ersten, die es in Potsdam versuchen

Die Gründer dieser Oase heißen Ursula und Rainer Sperl. Dreißig Jahre und sechs Umzüge später sitzen sie in ihren neuen Räumen in der Brandenburger Straße und servieren Kaffee und Gebäck. Das Jahr 1991 ist ein dicker Aktenordner geworden. Randvoll mit Artikeln, Karten und Fotos. Von der Eröffnung zum Beispiel: Oberbürgermeister Horst Gramlich ist da, ein junger Hartmut Dorgerloh, der später Schlösserstiftungschef werden sollte, schaut von hinten ins Bild und Kulturminister Hinrich Enderlein, der die zitierten Worte vom bedeutenden Tag für Brandenburg sagt.

Ein Politikum? Nicht unbedingt, sagt Ursula Sperl. Aber: Ja, eine Galeriegründung konnte damals in Potsdam für Aufmerksamkeit sorgen. Zu DDR-Zeiten hatte es keine privaten Galerien gegeben, das Galeristenpaar und Mike Gessner, der heute den Kunstraum leitet, waren die ersten, die es wagten. Die Sperls hatten außerdem Partner aus den Niederlanden mit im Boot. Seine Exzellenz der Botschafter kam, vorm Haus wehte die EU-Fahne. Bis sie irgendjemand runterriss.

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Nicht nur der Traum von der europäischen Gemeinschaft blühte damals in Holländischen Viertel. Die Eigentumsverhältnisse vieler Häuser waren noch ungeklärt, man hoffte auf eigene, selbst gestaltete Räume. Auch die Sperls. Eine Zeit lang sah es so aus, als könne das Haus in der Mittelstraße ihres werden. Dann kam die Rückübertragung und sie mussten froh sein, als Mieter bleiben zu können.

2009 beginnt eine Odyssee mit mehreren Umzügen

Bis 2009. Dann müssen sie raus, unfreiwillig. Die Zeit der Odyssee beginnt. Sie finden eine Bleibe in der ehemaligen Humboldt-Buchhandlung. Dann die Ticket-Galerie des Nikolaisaals, dann 500 Quadratmeter in der Alten Fachhochschule. Als das Gebäude 2017 geräumt wird, finden sie Unterschlupf in der Schopenhauerstraße 27. Dort hatten sie 1978 das Kabarett Obelisk mitgegründet. Eine Rückkehr? Nein, ein Übergang: Vor wenigen Wochen sind sie wieder umgezogen. Nun also die Brandenburger Straße 40.

Wem das Hin und Her beklagenswert vorkommt, liegt falsch. „Ein Umzug ist immer gut“, sagt Rainer Sperl. „Das hält in Bewegung.“ Und das ist nicht mal Ironie. „Wir haben an jedem Ort neues Publikum gefunden – und das alte mitgenommen.“ Ursula und Rainer Sperl sind keine, die jammern oder wehmütig zurückschauen. Anlass dazu hätte es gegeben. In der Mittelstraße hatte Rainer Sperl beim Verlegen der neuen Holzfußböden drei Kreißsägen zerlegt, im Schweiße seines Angesichts. Umsonst. Die große Tür zum Hof hatte die britische Künstlerin Sally Haywood gestaltet – eines Tages schickt der Besitzer einen Maler, der alles gnadenlos überstreicht, kein Bitten hilft.

Potsdamer Türen gingen nach Perugia - und kamen als Schrott zurück

Oder die Sache mit den Türen: 1993 hatte das Galeristenpaar 25 Originaltüren des Holländischen Viertels von Künstler:innen gestalten lassen und dann auf Reisen in die Partnerstadt Perugia geschickt. Als die Kunstwerke von dort zurückkamen, waren sie Schrott. Dennoch, wenn die Sperls heute über die Vergangenheit sprechen, klingt alles sonnig und leicht, Stoff für unbeschwerte Anekdoten. „Wer heute seinen Humor verliert, hat morgen nichts zu lachen“, sagt Ursula Sperl. Und Rainer Sperl: „Eine Nacht weinen, dann ist es vergessen, so haben wir es immer gehalten.“ Das ist ihr Motto, und vielleicht auch das Geheimnis hinter dreißig Jahren erfolgreicher Galeristenarbeit.

Zum 20. Geburtstag haben sie sich 2011 eine Ausstellung mit Auftragswerken ihrer Künstler:innen geschenkt. Das Thema: Selbstporträts. Der dazugehörige Katalog ist ein Who is Who des Sperlschen Universums, und eine Liebeserklärung der unterschiedlichen Künstler, die die Galerie vertritt. Hans-Hendrik Grimmling ist dabei, Angela Hampel. Neben dem Potsdamer Harry Mohr mit „Selbst als Fischkopf“ der Hallenser Star Moritz Götze mit „Selbst als Preußischer Staatsmaler“. Der Potsdamer Alexander Gutsche mit einem zwei mal zwei Meter großen fotorealistischen Porträt. Malte Brekenfeld, eine Entdeckung aus der frühen Zeit der Galerie, zeigt sich unter dem Titel „Porträt des Dorfkünstlers M.B. als alte Vettel in der Nähe des Nordcaps im Jahre 2031“.

Gefeiert wird der 30. Geburtstag erst nach der Pandemie

Den 30. Geburtstag wollen die Sperls dann feiern, wenn sie wieder dürfen: nach Ende der Pandemie. Einstweilen eröffnen sie ihre neue Bleibe mit der Reihe „Kleine Formate“, Ausgabe 23. Auch hier ist Hans-Hendrik Grimmlings Wucht dabei, Malte Brekenfelds labyrinthische Farblust, Ulrike Hogrebes nüchterner Surrealismus, Wolf Dieter Pfennigs verspielte Tierwelten. Gibt es so etwas wie einen roten Faden in dieser Kunstoase? Den Humor vielleicht, sagt Ursula Sperl. Rainer Sperl lässt seine Arbeit sprechen. Eines seiner Werke in den „Kleinen Formaten“ heißt: „Wehrhaftes Küken, männlich.“

Die Ausstellung in der Galerie Sperl in der Brandenburger Str. 40. läuft bis zum 27. Februar 2022.

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