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Über Kunst lässt sich gut streiten. Wie im gleichnamigen Stück von Yasmina Reza.

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Kultur: Drei Männer, drei Meinungen

Die Potsdamer Theatergruppe Poetenpack begeistert mit Yasmina Rezas Tragikomödie „Kunst“ im T-Werk

Ein weißes Bild mit weißen Streifen. „Du müsstest mittags kommen“, schwärmt Serge, der es sich gerade gekauft hat, seinem Freund Yvan vor. „Diese Vibration der Monochromie, die überkommt einen nicht bei künstlichem Licht.“ Während Yvan zumindest noch Interesse vortäuscht, ist Marc, der Dritte im Bunde, sofort empört über diese „weiße Scheiße“ und kann es nicht fassen, dass sein Freund Serge auch noch 200 000 Euro dafür hinblättern konnte. So stellt dieses Bild bald eine langjährige Dreierfreundschaft auf die Probe. „Kunst“ hat Yasmina Reza ihr berühmtes Stück von 1994 genannt. Mit feiner Ironie, tragikomisch und fast nebenbei führt die französische Autorin darin das gutbürgerliche Leben ihrer Protagonisten vor und entblößt dabei die Egozentrik und Brüchigkeit scheinbar sicherer Lebensentwürfe. In einer Inszenierung von Carl-Hermann Risse brachte das Theater Poetenpack die Komödie am Freitagabend im ausverkauften T-Werk erstmals in Potsdam auf die Bühne.

Das Stück lebt von seinen fein geschliffenen, höchst amüsanten und bisweilen bitterbösen Dialogen und vor allem den drei Akteuren, die sich in ständig wechselnden Koalitionen ein Wortgefecht nach dem anderen liefern. Da ist zunächst der von Teo Vadersen glänzend verkörperte, stets etwas miesepetrige Pragmatiker Marc, der den Kunstkauf Serges erst heftig verspottet und missbilligt und seinem Freund bald vorwirft, das Bild sei nur Statussymbol und stehe zudem für das Auseinanderdriften ihrer Freundschaft. Serge wiederum, den Andreas Hueck als lässigen, leicht zynischen und überheblichen Anzugträger perfekt in Szene setzt, lässt die Kritik seines Freundes zunächst an sich abprallen, bevor er dessen Kunstverstand infrage stellt und schließlich, sichtbar gekränkt, bissig und affektiert über dessen Ehefrau herzieht. In den Mittelpunkt spielt sich allerdings recht bald Justus Carrière als Yvan, der gerade mitten in seinen Hochzeitsvorbereitungen steckt. Hinreißend, wie dieses sympathisch zerstreute und stets etwas wehleidige Kerlchen versucht, harmoniesüchtig zwischen den Streithähnen, die ihn jeweils auf ihre Seite ziehen wollen, zu schlichten und wie er sich anstrengt, nicht zwischen beiden Positionen zerrieben zu werden. Sein mit Szenenapplaus honorierter minutenlanger Monolog etwa, mit dem er sich bei ihnen für sein Zuspätkommen entschuldigt und in dem er von einer Abfolge von Gesprächen mit seiner Mutter, seiner Stiefmutter und seiner Verlobten erzählt und dieselben dabei auch noch imitiert, ist zweifellos einer der Höhepunkte des Abends. Und so werden auf einer Bühne (Janet Kirsten), die mit weißem Sofa, Flauschteppich und Tischchen ein Wohnzimmer andeutet und auf der die drei Wohnungen der Freunde nur durch einen jeweils ausgetauschten Gemälde-Kunstdruck im Hintergrund unterschieden werden, nach und nach die Eitelkeiten und das Machtgefüge innerhalb dieser Männerfreundschaft bloßgelegt. Im Laufe der unzähligen, durchweg vom Publikumsgelächter begleiteten verbalen Scharmützel brechen scheinbar immer mehr alte Wunden auf. Ihre alte Beziehung sehen die Freunde nunmehr im Licht von Zorn, Enttäuschung, Neid, Karrierefrust und auseinandergedrifteten Wertvorstellungen. Während eines gemeinsamen Treffens bei Serge fallen sie schließlich, in einem kurzen, albern linkischen Ringkampf, wütend übereinander her. Erst da kommen sie wieder zu sich und finden hernach auch wieder als Freunde zusammen. Und selbst das weiße Bild, das die drei in einem Akt der Versöhnung mit Filzstift entweihen wollen, erstrahlt am Ende doch wieder in seiner Monochromie.

Dass die drei Schauspieler nach gut eineinhalb Stunden vom applaudierenden Publikum mehrfach auf die Bühne zurückgeholt werden, war zu erwarten. Denn erst ihr großartiges, unaufgeregtes und punktgenaues Spiel macht diese unverwüstliche Konversationskomödie zu einem „Kunst“-Stück. Daniel Flügel

Weitere Vorstellungen im T-Werk in der Schiffbauergasse am 28. Februar und 1. März 2015, jeweils 20 Uhr, und im „Domicil“ der Villa Mendelssohn, Berliner Straße 89, am 23. und 24. Januar, 20 Uhr, und am 25. Januar 2015, 17 Uhr.

Daniel Flügel

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