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Die Werke von Sonja Eschefeld sind irgendwo nicht weit entfernt von der Formenwelt eines Max Ernst angesiedelt.

© Promo

Doppelausstellung im Kunsthaus sans titre: Was kommt, was bleibt?

Die Künstlerinnen Sonja Eschefeld und Kathryn Jacobi präsentieren derzeit im Kunsthaus sans titre ihre Ausstellung „Timeless“

Die lebensgroße Büste, die derzeit im Kunsthaus sans titre steht, strahlt Ruhe und Bedächtigkeit aus. Die Augen des Jungen sind weit geöffnet, seine Haare kurz, der Mund geschlossen. Er hat ein ebenmäßiges Gesicht. Sonja Eschefeld ist die Künstlerin. Sie und die Fotografin Kathryn Jacobi zeigen derzeit ihre Arbeiten. „Timeless“ heißt die Schau, die Skulpturen, Malerei und Fotografie vereint und noch bis zum 9. September im sans titre zu sehen ist.

Die meisten Werke der Bildhauerin und Malerin Sonja Eschefeld sind ein abstraktes Spiel mit Formen, in ihren Bildern gesellen sich zu diesem noch Farben hinzu. Das schöne Gesicht des Jungen lässt die Gedanken des Betrachters zu der möglichen Lebensgeschichte des Knaben schweifen – zu dem, was aus seinem Leben wird. In ihrer Wohlgeformtheit erinnert die Büste an klassische Marmorskulpturen und besitzt doch einen ganz eigenen Ausdruck. 

Die 1948 in Klein-Bünzow, Mecklenburg-Vorpommern, geborene Künstlerin absolvierte zunächst eine Lehre als Stuckateurin und studierte dann von 1969 bis 1974 Kunst in Berlin. Ihre akademische Lehrzeit schloss sie als Meisterschülerin von Wieland Förster und Ludwig Engelhardt an der Akademie der Künste ab. Auf dieser soliden Grundlage hat sie in den darauffolgenden Jahrzehnten ein Werk geschaffen, von dem das Kunsthaus sans titre nur einen kleinen Ausschnitt zeigt.

Nicht weit entfernt von Alberto Giacometti und Max Ernst

Die Werke von Eschefeld überzeugen auf den ersten Blick und bereiten beim weiteren Studium Freude. Denn der Betrachter spürt die Hingabe der Künstlerin zum Material und ihren Willen zur Genauigkeit, bei aller Experimentierfreude, die sich in ihren Werken zeigt. „Orpheus“, „Durch Welten Reisender“ sind die Titel ihrer Skulpturen, die Eschefeld aus Eisen, Beton, Bronze und Terrakotta fertigt. Trotz der Vielfältigkeit der verwandten Materialien ist stets eine klare Formsprache erkennbar, die sich auch in den Bildern der Künstlerin widerspiegelt: Kleinteilige Elemente, Formen, die einen Anklang an die Geometrie aufweisen und dann doch ausbrechen und sich schließlich zu einer ganz eigenen Welt verbinden. Irgendwo in der nicht weit entfernten Formenwelt von Alberto Giacometti und Max Ernst sind die „Traumgebilde“ der Künstlerin anzutreffen. Eschefeld demonstriert erfreulich eindeutig, dass ein klares künstlerisches Werk seine Berechtigung in sich trägt, und keine weiteren gesellschaftlichen Bezüge benötigt.

Konsequent verzichtet sie daher bei vielen Bildern auf Titel oder weitere Einschränkungen der Fantasie. Tauchen dann doch Titel auf wie „Seine Wolken – mein Tisch“ oder „Huhn zerlegt“, so zeigt sich, dass auch der Alltag der Künstlerin von Poesie durchzogen zu sein scheint. Ein leichter Anklang an kubistische Zersplitterung von Formen und Farbrhythmen ist außerdem erkennbar. Aber auch hier steht die Suche nach einem lebendigen Rhythmus und einem tänzelnden Zusammenklang der divergierenden Elemente im Vordergrund.

Ein Fotoband zum Konzentrationslager Theresienstadt

Den Gegenpol zur inhaltlich und formal freien Kunst von Eschefeld bilden die Fotografien von Kathryn Jacobi. 1947 in New York geboren, entstammt die Amerikanerin einer jüdischen Familie, die rechtzeitig aus Europa über Südafrika in die USA fliehen konnte. Jacobi studierte Kunst an der Californian State University. Sie arbeitet ebenfalls mit verschiedenen Medien: Malerei, Zeichnung, Fotografie. Zu sehen sind im sans titre vorwiegend Fotografien, Fotoserien. Mit klassischer Portraitfotografie stellt Jacobi Bildnisse gegenüber, die eine Person zunächst als jungen Menschen, dann im Alter zeigen. Auch hier taucht unwillkürlich der Gedanke nach dem Lebensweg des Menschen, nach dem auf, was sich dazwischen ereignet hat.

Was bleibt vom Leben übrig? Diese Frage stellt sich bei dem Fotoband, den Jacobi 2006 zum Konzentrationslager Theresienstadt, gelegen in der Nähe von Prag, gefertigt hat. Aus den Fotos der verlassenen und nicht renovierten Räume schreit dem Betrachter das Leid entgegen, das dort in den fleckigen Wänden und rostenden Hygiene-Installationen kondensiert zu sein scheint. Jacobi legt ihren künstlerischen Schwerpunkt auf das Bildnis des Menschen. Sie versucht zu erfassen, was sich an Lebenserfahrung und Geschehnissen in sein Antlitz, seine Physiognomie und seine Haltung eingegraben hat. Gelegentlich erlaubt sich Jacobi auch Ausflüge in romantische Sphären, kombiniert in einer Mehrfachbelichtung Fotos von tanzenden, verschleierten Frauen mit denen von Landschaften und taucht das Ambiente in ein sepiafarbenes Licht.

„Timeless“, Sonja Eschefeld und Kathryn Jacobi, bis 9. September, Kunsthaus sans titre, Französische Straße 18

Richard Rabensaat

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