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„Don’t Cry, Work!“: Premiere im Spartacus: Wenn Luftschlösser ruinieren

Im Stück „Don’t Cry, Work!“ sitzt Steve Ballmer im Overall auf der Bühne und beschwört seinen Text wie ein buddhistisches Mantra – der Auftakt zu einer Reihe von Absurditäten, die dem Stück Form verleihen.

Potsdam - Wenn man den ganzen Irrsinn in einem Ausschnitt sehen will, dann muss man sich Aufzeichnungen vom alten Microsoft-CEO Steve Ballmer ansehen: Wie Rumpelstilzchen fegt er kreischend über die Bühne und keift förmlich die Liebe zu seinem Unternehmen heraus. Eine Schlüsselszene, die im Theaterstück „Don’t Cry, Work!“ vom Künstlerkollektiv „Fritz Ahoi!“ Eingang findet – und regelrecht demontiert wird. Am Freitag war Premiere des Stückes im Spartacus.

Im Stück selbst sitzt Steve Ballmer im Overall auf der Bühne und beschwört seinen Text wie ein buddhistisches Mantra – der Auftakt zu einer Reihe von Absurditäten, die dem Stück Form verleihen. Es braucht nämlich keine eigenen Texte, um den ultrakapitalistischen Wahnsinn in Szene zu setzen: Der findet sich nämlich nicht nur im Silicon Valley, sondern hat längst im Alltag Einzug gehalten. Die Theatergruppe bedient sich also einfach nur schon vorhandener Texte in Form von Internetseiten oder Broschüren, die collagenartig verfremdet werden: Ein quietschbuntes, völlig abstruses Vergnügen, das durch eine Live-Punkband persifliert wird. Dokumentarisches Musiktheater nennt sich diese wilde Performance, die einfach nur radikal einschlägt.

Das liegt zum einen am schrägen Bühnenbild (Barbara Lenartz), das aus aufblasbaren Strandartikeln besteht, die im Laufe des Stückes sukzessive mit Luft gefüllt werden: eine pfiffige Metapher für die präsentierte Inhaltslosigkeit, ein permanentes Aufpumpen von Luftschlössern. Den Rest besorgen die Schauspieler Madlen Meyer, Maru Hornig, Sophie Roeder und Peter Retzlaff, die sich in einem bizarren Wettbewerb vollständig verausgaben.

Auf der Metaebene dieses surrealen Feuerwerks (Regie: Sina Schmidt) schimmert schnell die Abartigkeit eines kapitalistischen Albtraums durch, der sich durch die Rekrutierung von Humankapital definiert: Corporate Identity als sinnstiftender Reflexionsraum, der für sich selbst den Anspruch erhebt, das reale Leben zu ersetzen. Diese Elemente pflückt sich die Theatergruppe aus Selbstbeschreibungen von Konzernen, Erfolgsratgebern und Stellenanzeigen, die vor produktiv-absurdem Vokabular nur so strotzen. Diese Abwesenheit des Fiktionalen wird dabei schnell bitterer Ernst: Eine Existenzgrundlage besitze nur der, der seinen Teil zur Kapitalvermehrung beiträgt. Da muss selbstverständlich die FDP zitiert werden, die sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt.

Dass es zur Entgrenzung kommt, liegt am mangelnden Aufbegehren. In der stärksten Szene des Stücks wird eine vermeintliche Erfolgsgeschichte der Arbeitsagentur verlesen, die doch nur durch selbstlose Aufopferung der Betroffenen möglich wurde. Lachanfälle ziehen den Text ins Lächerliche. Folgerichtig endet das Stück nach atemloser Verausgabung mit dem Song „Was hat dich bloß so ruiniert“ der Band Die Sterne. 

O. Dietrich

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