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Doku „Die Mauer“: Die Größe der Vergangenheit

Jürgen Böttcher alias Strawalde stellt heute Abend seine Doku „Die Mauer“ im Schloss Sacrow vor Im nächsten Jahr soll der Maler und Filmemacher mit einer Werkschau geehrt werden.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Ein verschobener Hochofen, Fabrikarbeiterinnen, die letzte Trümmerfrau oder die Arbeit auf dem Rangierbahnhof. Jürgen Böttcher alias Strawalde widmet sich in seinen Dokumentarfilmen alltäglichen Themen, die häufig übersehen werden. Obwohl sie wichtig sind für das Bestehen unserer Gesellschaft, für eine funktionierende Wirtschaft. Oder bereits Teil der Geschichte sind. Wie etwa die Berliner Mauer, die Strawalde 1989 filmisch einfängt und damit ihre letzten Tage festhält. Seine Dokumentation mit dem Titel „Die Mauer“ erschien 1990 und wird heute Abend im Schloss Sacrow in Anwesenheit des Regisseurs gezeigt.

„Er zeigt dort fantastische, unglaubliche Bilder“, sagt Joachim von Vietinghoff. Der Filmproduzent ist auch auch im Vorstand des Ars Sacrow Vereins, welcher den Filmabend im Rahmen der aktuellen Sacrower Ausstellung „Gärtner führen keine Kriege“ organisiert. Für ihn sei ganz klar, dass der Film auf der großen Leinwand gezeigt werden müsse: „Das sind gewaltige Emotionen, die beim Ansehen wieder auferstehen“, sagt er. Auf dem kleinen Fernsehbilschirm – oder schlimmer noch auf dem Handy oder iPad – würden diese verloren gehen. „Die Größe der Mauer und auch ihre Bedrohlichkeit kommen ja dann gar nicht mehr zum Tragen“, so der Produzent. Jürgen Böttcher, der in der DDR als der Maler „Strawalde“ bekannt geworden ist, zeigt in seinem Film nicht nur die Mauer selbst. Vielmehr präsentiert er spontane Aufnahmen von Schauplätzen wie dem Potsdamer Platz, dem Reichstag und dem Brandenburger Tor und hält sie in ihrer Zeit fest. Dabei verzichtet er auf einen Audiokommentar und lässt die Bilder ganz für sich sprechen: Touristen, die nach dem Mauerfall überall umherströmen, Reporter, Menschen, die Silvester feiern. Auf der anderen Seite zeigt er auch die verlassenen Orte der Stadt. Etwa stillgelegte Bahnhöfe, welche die deutsch-katholische Filmzeitschrift „Filmdienst“ als „erregende Aufnahmen“ bezeichnet. Vietinghoff hingegen spricht eher von einem Erlebnis der Sprachlosigkeit beim Anblick dieser Bilder.

„Der Kreis schließt sich“

Vielleicht auch deswegen möchte er die Zusammenarbeit mit Strawalde nächstes Jahr noch vertiefen. Wie der Filmproduzent erzählt, wird es im Sommer 2018 eine große Werkschau des Künstlers in Sacrow zu sehen geben. „Er war im Osten und Westen gleichermaßen aktiv und hat unter anderem ein bedeutendes dokumentarisches Werk hinterlassen“, so Vietinghoff. Doch nicht nur das: 1931 geboren, absolvierte Jürgen Böttcher vor seinem Regiestudium an der Filmuniversität Babelsberg auch ein Studium der Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seine Bilder und Grafiken stellte er ab den 1970er Jahren immer wieder international aus. Erst im April dieses Jahres gingen zwei Bilder des Künstlers – darunter „Mutter und Kind“ – in die Sammlung des Potsdam Museums über. In Sacrow soll das künstlerische Wirken Strawaldes durch all seine Schaffenszeiten gezeigt werden. Darunter auch seine in der DDR teilweise verbotenen Filme wie „Drei von vielen“ (1961), „Wäscherinnen“ (1972) und „Rangierer“ (1984), für die Böttcher noch bekannter ist als für seine Bilder.

Vietinghoff kann sich auch gut vorstellen, andere Filme zu zeigen, die einen Dialog zu Böttchers Werk aufmachen. Einen Arbeitstitel für die Ausstellung gibt es schon: „Der Kreis schließt sich“ soll sie heißen, sagt Vietinghoff und liefert die erklärende Anekdote gleich dazu: Als Böttcher von 1955 bis 1960 in Babelsberg studierte, seien seine Studienkollegen häufig mit der Fähre nach Sacrow gefahren. Er selbst aber nicht. Als er vergangenes Jahr Schloss Sacrow besuchte, blickte er von dort wohl nach Babelsberg und sagte eben den titelgebenden Satz: „Der Kreis schließt sich“.

„Museum für einen Sommer“ in Sacrow

In Sacrow finden jedes Jahr im Sommer wechselnde Ausstellungen im Rahmen von „Museum für einen Sommer“ statt. Die Schau „Gärtner führen keine Kriege“ ist bereits im vergangenen Jahr gezeigt worden und wurde dieses Jahr erweitert noch einmal aufgenommen (PNN berichteten). Zur Ausstellung werden verschiedene Veranstaltungen als Begleitprogramm angeboten. So spricht am Samstag, dem 12. August, ab 18.30 Uhr Maria Nooke, ab Oktober Aufarbeitungsbeauftragte für die Folgen der kommunistischen Diktatur in der DDR in Brandenburg und derzeit amtierende stellvertretende Direktorin der Stiftung Berliner Mauer, über „Fluchten und Mauertote in Arkadien“.

Filmvorführung „Die Mauer“ in Anwesenheit von Regisseur Jürgen Böttcher alias Strawalde am heutigen Freitag um 19.30 Uhr in Schloss Sacrow, Krampnitzer Straße 33. Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Kartenbestellung nur per E-Mail an karten@ars-sacrow.de. Für den Vortrag von Maria Nooke wird um Anmeldung ebenfalls per E-Mail gebeten.

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