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Schriftsteller Peter Handke polarisiert.

© Herbert Neubauer/APA/dpa

Diskussion über Peter Handke in Potsdam: "Wir sind nicht seine moralischen Richter"

Die Buchhändler des Literaturladens Wist sind bekennende Fans des österreichischen Schriftstellers Peter Handke und zelebrierten ihn zum Erscheinen seines neuen Romans.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Vor ein paar Tagen erst ist er erschienen, der neueste Roman von Peter Handke. Er trägt den Titel "Das zweite Schwert" und ist bereits von den großen Medienvertretern besprochen. Das Rachemotiv des Buches wird dabei immer wieder thematisiert: Handke erzählt hier von einem Protagonisten, der augenscheinlich Rache an einer Journalistin nehmen möchte, die seine Mutter als Nazi-Anhängerin bezeichnet hat. Gleich in mehreren Rezensionen wird nun die Frage aufgeworfen, ob das Buch als Rache an Handkes Kritikern zu verstehen ist - die Antwort darauf ist nicht selten "Nein". Dabei schimmert immer wieder die Bewunderung für Handkes Sprachgewalt durch, MDR-Literaturkritiker Ulf Heise bezeichnet ihn sogar als den "letzten großen deutschen Erzähler unserer Epoche".

Dieser Meinung schließen sich auch die Potsdamer Buchhändler vom Literaturladen Wist an und haben Peter Handke aus diesem Grund Anfang der Woche einen ganzen Abend gewidmet. Trotzdem der österreichische Schriftsteller selbst nicht anwesend war, war die Veranstaltung ausverkauft. 

Trennung von Werk und Autor

Carsten Wist, dessen Literaturladen in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert, ist bekennender Handke-Fan, seitdem er dessen Stück "Publikumsbeschimpfung" das erste Mal gelesen hat. Die ersten Seiten habe er sogar einmal auswendig gekannt, verriet er am Montag. Die Nobelpreisverleihung im vergangenen Jahr hätten er und seine Kollegen im Livestream geguckt - um sich über die Gewinner dann doppelt zu freuen. Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk, die rückwirkend den, im Jahr 2018 ausgefallenen, Literaturnobelpreis erhielt, war einen Tag zuvor zu Gast bei Wist gewesen. Und von Handke - er erhielt den 2019er Literaturnobelpreis - würde im Literaturladen sowieso jedes neue Buch gefeiert, sagte Wist: "Er ist ein Solitär in der Literaturlandschaft."

Die Diskussionen, die schon vorher, aber vor allem nach der Nobelpreisverleihung, über Handkes Haltung zum Balkan-Konflikt geführt wurden, blendeten die Potsdamer Buchhändler nicht aus. "Wir outen uns als Handke-Leser, das heißt aber nicht, dass uns alle seine politischen Äußerungen gefallen", sagte Wist nach der Veranstaltung sehr deutlich. "Wir sind aber auch nicht seine moralischen Richter." Wenn er die Werke aller Autoren, die sich moralische Fehltritte geleistet haben, aus dem Laden rauswerfen würde, wäre der Laden halb leer. 

Carsten Wist vom Literaturladen Wist.
Carsten Wist vom Literaturladen Wist.

© Manfred Thomas

Leser sollen sich selbst eine Meinung bilden

Vielmehr möchten die Buchhändler ihre Kunden, also die Leser, dazu ermuntern, sich selbst ein Bild über den Schriftsteller zu bilden. Seine Texte zu lesen, besonders die über Jugoslawien und auch über die Beerdigung des einstigen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. "Es ist wichtig, nicht nur schwarz und weiß zu denken und mehrere Seiten zu hören, ", sagte Wist. Dazu gehöre eben auch die Seite des Dichters. 

Und diese Seite zelebrierte Carsten Wist gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Palent und Max Müller am Montag ausgiebig: Geradezu eine Zitatenflut aus verschiedenen Handke-Werken wurde rezitiert, im Hintergrund ein großes Bild des Schriftstellers aufgestellt, ja sogar ein Pilzdruck Handkes wurde herumgereicht und - kein Scherz - Buttons mit dem Slogan "Team Peter" verteilt. Die verweisen auf die Diskussionen nach der Literaturnobelpreisverleihung, auf die Lager, die sich danach bildeten. "Wenn es hart auf hart kommt, sind wir Team Peter", sagte Felix Palent dazu und Carsten Wist ergänzte: "Wir sind damit allerdings in der Minderheit." Doch der Button drücke ganz schlicht die Bewunderung für den Autor aus. Ein Autor, der ein sehr genauer Beobachter sei, ja geradezu beobachten müsse. 

"Er macht es einem nicht immer einfach."

Kollege Max Müller erzählte dann von seiner ersten literarischen Begegnung mit Handke durch "Kali - Eine Vorwintergeschichte": "Ich war verloren in der Sprache, eine Sprache, die das ganze Leseerlebnis dehnt", sagte er. "Verschlingen kann man ihn nicht", schloss sich auch Felix Palent an. "Er macht es einem nicht immer einfach." Auch nicht mit seinen cholerischen Auftritten und den provokanten Äußerungen über Theater, Literatur oder gar Kritiker. Zitate dieser Art wurden am Montagabend ebenfalls vorgetragen. Sympathisch wirkt Peter Handke dadurch nicht gerade, eine Begeisterung für seine Sprache können die Potsdamer Buchhändler an ihrem Abend aber dennoch entfachen. 

Am Ende der Veranstaltung, die ungefähr zweieinhalb Stunden beanspruchte,  nahmen sie dann auch endlich den neuesten Roman "Das zweite Schwert" zur Hand - "ein festlicher Moment", wie Wist es ausdrückte. Jeder der drei las einen Absatz vor, danach sollte das Buch im Publikum kreisen, doch die Besucher klatschten nach wenigen Passagen ab. Es war genug Handke für einen Abend.

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