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Kultur: „Dieser Mord ist wie eine Selbstreinigung“

Wolfgang Menardi inszeniert „Die Zofen“ am Hans Otto Theater

Wolfgang Menardi inszeniert „Die Zofen“ am Hans Otto Theater Von Klaus Büstrin Die Stimme versagt ihm, nicht vor Aufregung, sondern weil eine starke Erkältung Wolfgang Menardi gerade ein Schnippchen schlägt. Er muss sich beim Sprechen nur mit einem Pianissimo zufrieden geben. Aber ein Schauspieler ist auf seine Stimme angewiesen. Schließlich gehört sie zu seinem wichtigsten Werkzeug, denn mit ihr muss er Höhen und Tiefen eines Lebens kenntlich machen. Ein Regisseur dagegen kann sich auch mit wenigen Worten verständlich machen, zumal in den Endproben. „Wir haben in den vergangenen Wochen sehr rege diskutiert, manchmal auch im Forte“, sagt Wolfgang Menardi, der am kommenden Freitag als Regisseur im Theaterhaus Am Alten Markt sein Debüt gibt. Ihn habe es schon seit längerem gereizt, wie es ist, wenn man als Schauspieler plötzlich Regie führt. „Besonders spannend war für mich, wie gestandene Kolleginnen, mit denen ich fast täglich auf der Bühne stehe, auf meine Lesart reagieren. Aber ich glaube, es war für mich eine produktive Zusammenarbeit“, erzählt Wolfgang Menardi. Das Stück „Die Zofen“ des Franzosen Jean Genet war nicht Menardis Wunschstück. „Aber ich konnte mich doch bald mit ihm anfreunden.“ Genets Stück hat etwas von einem Krimi, aber „wichtig ist hier, was zwischen den Zeilen steht. Es bewegt sich alles in einem schwebenden Zustand“. Der „Gnädigen Frau“ Zofen, die Schwestern Claire und Solange, spielen in der Abwesenheit wechselweise die Herrin und die Dienerin. Aus Rache für Demütigungen haben sie den „Gnädigen Herrn“ anonym bei der Polizei denunziert und ins Gefängnis gebracht. Doch da kündigt sich an, dass der Herr entlassen wird, da seine Unschuld erwiesen ist. Dem Spiel soll die Tat folgen: die Herrin muss vergiftet werden. Aber die Zofen haben Pech, die „Gnädige“ ist in Eile. Sie muss schnellstens zu ihrem Geliebten. Und ein letztes Mal spielen die Schwestern die Rollen. Claire als gnädige Frau lässt sich von Solange den vergifteten Tee reichen. „Dieser Mord ist wie eine Selbstreinigung, eine Befreiung“, sagt der Regisseur. „Das Stück hat viele Ebenen gleichzeitig, außerdem findet man in ihm ein Ritual von strenger Künstlichkeit, Spiegelungen, bei der sich die Selbstverachtung in der anderen Figur wiederfindet.“ Jean Genet (1910-1986) wollte, dass die Frauenrollen von Männern gespielt werden sollten, von „drei Kerlen im Rock, Nylonstrumpf, perückiert, geschminkt und mit weibischer Attitüde“ (Friedrich Luft). Aber nur selten wird diese Besetzung verwirklicht. Am Potsdamer Hans Otto Theater sind die Zofen mit Katrin Schwingel und Katharina Voß besetzt, die „Gnädige Frau“ spielt Gisela Leipert. Für Bühnenbild und Kostüme ist Marek Hertel verantwortlich. Natürlich ist Wolfgang Menardi gespannt, wie seine erste Regiearbeit beim Publikum ankommt. „Ich möchte weiterhin inszenieren, denn dies ist für mich als Schauspieler eine bereichernde Sache gewesen. Das Interessante ist, dass man sich über seine Rolle hinaus, die man sonst spielt, in alle Figuren versenken muss, sein Hintergrundwissen zu Stück, Autor und Historie erweitert. Außerdem sollte man sich mit Psychologie auseinander setzen. Und überhaupt, was alles dazu gehört, ehe der Vorhang zu Premiere hochgeht. Vielleicht kann ich mich nun ein bisschen besser in einen Regisseur hinein denken.“ Das Schauspielern soll aber auch weiterhin Priorität für Wolfgang Menardi haben, der am Potsdamer Hans Otto Theater, in das er vor drei Jahren kam, schöne und große Rollen spielen durfte. „Als Anfänger hatte ich bereits im ersten Jahr viel zu tun. Vielleicht wurde ich ein wenig überfordert, aber gelernt habe ich trotzdem in jeder Inszenierung“, bekennt Menardi. Besonders gern erinnert er sich an die Aufführungen von Schillers „Don Carlos“, an den „Weibsteufel“ von Karl Schönherr, an „Leben ein Tanz“ von Brian Friel oder an Shakespeares „König Lear“. Nach seinem Regie-Ausflug wird er sich wieder in die „Obhut“ eines Regisseurs begeben. In Alexander Hawemann Inszenierung der „Legende von Paul und Paula“ spielt er gemeinsam mit Katja Heinrich die Titelrolle. Das wird dann vorerst die letzte Arbeit am Hans Otto Theater sein. Auch er gehört zu den vom designierten Intendanten Uwe-Eric Laufenberg gekündigten Schauspielern. „Anfangs hatte ich damit meine Schwierigkeiten. Meine Eitelkeit war ziemlich verletzt. Aber nun hab ich mich damit abgefunden. Als junger Schauspieler ist es ja auch nur gesund, wenn man sich nach drei Jahren“, so Menardi, „auf den Weg zu einem neuen Theater macht.“ Nach Süddeutschland soll es gehen. Aber er findet es nicht toll, wenn ein neuer Intendant alle laufenden Inszenierungen, auch die interessanten, nicht übernimmt. „Dies hat mit Arroganz zu tun.“

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