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Max Beckmann. „Selbstbildnis mit Saxofon“.

© Lars Lohrisch/VG Bild-Kunst Bonn 2017

Kultur: Die Welt als erschüttertes Spektakel

Das Museum Barberini erkundete Max Beckmanns „Welttheater“. Zu Gast war auch dessen Enkelin

Max Beckmanns „Apachentanz“ ist ein Bild von unglaublicher Brutalität. Eine Frau hängt, die Beine seltsam verkrümmt, kopfüber über der Schulter eines Mannes. Ihr rechter Arm sowie ihr linkes Bein sind seltsam verbogen, ihre geschlossenen Augen liegen in dunklen Schatten. Noch grausamer als die unnatürliche Haltung aber ist bei genauerem Hinsehen die Haltung der am Bildrand erkennbaren Zuschauer, die diesem Paar bei ihrem Tanz zusehen. Denn sie sehen ihm nicht zu. Sondern einander an, oder in ihre Gläser hinein. Der brutale Tanz soll offenbar Unterhaltung sein, kann aber die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht wecken.

Ab Februar 2018 wird Beckmanns Bild in Potsdam zu sehen sein, im Rahmen der Ausstellung „Max Beckmann. Welttheater“. Am gestrigen Mittwoch hielt das Museum Barberini ein ganztägiges Symposum ab, das die Schau inhaltlich vorbereite. Die vorgetragenen Texte werden Teil des Ausstellungskatalogs sein. Zu Gast war unter anderem die Kunsthistorikerin Eva Fischer-Hausdorf von der Kunsthalle Bremen, die gemeinsam mit Barberini-Leiterin Ortrud Westheider die Beckmann-Schau kuratieren wird.

Fischer-Hausdorfs Einleitung sorgte zunächst für die kulturhistorische Einordung des Begriffs „Welttheater“, der schon bei Platon auftaucht, im mittelalterlichen Christentum dann als geistlich-performatives Spiel neu gedeutet wurde, um spätestens seit Shakespeares „All the world’s a stage“ (1599 in „Wie es Euch gefällt“) in aller Munde zu sein.

Die ganze Welt ist eine Bühne: So sah auch Max Beckmann die Welt, als solche hielt er sie in seinen Bildern fest. Er zeigt sie als ein in seinen Grundpfosten erschüttertes Spektakel. Die traurigen Clowns, Artisten, Schauspieler und Zirkusdirektoren in seinen Bildern und Grafiken sind Spieler, die am Abgrund wandeln, sitzen oder turnen, oft im Wortsinn. Wie das Tänzerpaar im „Apachentanz“, der 1938 entstand. Kennt man das Entstehungsdatum, ist das Bild viel mehr als ein exzesshafter Paartanz, sagt Fischer-Hausdorf. Es ist Beckmanns Kommentar auf eine Situation in Europa, in dem man nicht sehen wollte, was in seinem Zentrum an brutalen Exzessen geschah.

Neben Beckmann-Forschern aus München, Cambridge (USA) und Hildesheim war auch eine zu Gast, die nicht auf dem Podium sprach: Mayen Beckmann, die Enkelin des 1950 verstorbenen Malers, von Ortrud Westheider als „Hüterin des Beckmann-Nachlasses“ angekündigt. Mayen Beckmann zeigte sich im PNN-Gespräch am Rande begeistert vom Ansatz des Symposiums, und ja, auch sie könne durchaus noch Neues über ihren Großvater erfahren. Gerade wenn man die Bilder wie beim Symposium im Barberini auf einem riesigen Bildschirm sehe, sehe man Manches zum ersten Mal. Dass der Mann im berühmten „Selbstbildnis als Clown“ von 1921 amputiert ist zum Beispiel, das hatte sie bis jetzt übersehen.

Erinnerungen an ihren Großvater hat Mayen Beckmann nicht. Sie war zwei, als er starb. „Es ist auch nicht sicher, dass er mich noch gesehen hat. Wenn Beckmann mit einer Sache nichts anfangen konnte, dann waren das Babys“, sagt sie, lachend.

Weniger zum Lachen ist für sie offenbar, wie in Deutschland mit privaten Sammlungen umgegangen wird. 2015 forderte sie, wie auch Georg Baselitz, als Protest gegen das Kulturgutschutzgesetz die Rückgabe ihrer Leihgaben an das Leipziger Museum für Bildende Künste. Was aber aus vertraglichen Gründen nicht so schnell gelang. Daher hängen die Bilder nach wie vor in Leipzig. „Was mich an dem Gesetz stört, ist das Gefühl, potenziell beraubt zu sein“, sagt sie. „Die Möglichkeit einer willkürlichen Bedrohung. Und das ohne Not.“ Soll heißen: Sie hätte die Bilder ohne die Bedrohung des Kulturgutschutzgesetzes nie zurückverlangt. Sie beklagt, dass es keine klaren Richtlinien, und auf Länderebene noch keine Kommissionen gebe. „Das Ganze ist wie in die Luft gepustet.“ Was das Gesetz angeht, sieht die Erbin von Max Beckmann „Böses kommen für die deutschen Museen“. Das habe sich, sagt sie, auch hier am Museum Barberini schon gezeigt, in dem Herr Plattner sich dafür entschied, seine Sammlung nicht dauerhaft dem Museum Barberini zu übergeben. Lena Schneider

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