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Schriftsteller Lion Feuchtwanger. 

© Aufbau Verlag

Die Tagebücher von Lion Feuchtwanger: Es wurde nicht nur gehurt und gevögelt

Die Tagebücher von Lion Feuchtwanger geben Einblick in sein ausschweifendes Sexualleben und zeichnen darüber hinaus ein psychologisches Porträt des Schriftstellers. Jetzt wurden sie in Potsdam vorgestellt.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Matinee beginnt mit einer Entschuldigung: Den bayrischen Akzent von Lion Feuchtwanger könne er leider nicht imitieren, sagt Schriftsteller Klaus Modick. Damit hat er schon vor dem Lesen aus den jüngst erschienenen Tagebüchern des in München geborenen Autors die Lacher auf seiner Seite, im Laufe der Veranstaltung werden weitere folgen. Gemeinsam mit Lektorin Nele Holdack stellte Klaus Modick am Sonntag, 24. Februar, in den Räumen des Brandenburgischen Literaturbüros das Buch „Ein möglichst intensives Leben. Die Tagebücher“ vor. Im November letzten Jahres im Aufbau Verlag erschienen, versammelt es erstmals alle überlieferten Tagebucheinträge Lion Feuchtwangers aus den Jahren 1906 bis 1940. 

Diese zusammenzutragen war nicht ganz einfach, ein großer Teil war wie berichtet in der Gabelsberger Kurzschrift, einer speziellen Form der Stenographie verfasst, der sich Klaus-Peter Möller vom Fontane-Archiv annahm. Für die Bemerkung Nele Holdacks, dass Möller die Schrift extra für das Projekt erlernte, gab es vom Publikum ein bewunderndes Raunen. Überhaupt reagierten die zahlreich erschienenen und zwei Räume füllenden Zuhörer überaus lebhaft auf das Vorgetragene. 

Mehr als nur Masturbation und Beischlaf

Viele Schmunzler und Gekicher erhielten natürlich die zahlreichen Tagebucheinträge Feuchtwangers über sein Sexualleben. Obwohl verheiratet, hatte er zahlreiche Geliebte und besuchte regelmäßig das Bordell. „Und ob erkältet, todmüde oder von Kopfschmerzen geplagt, Energie und Lust zum ’Huren’ blieb dann offenbar immer noch“, schreibt Klaus Modick im Vorwort der Tagebücher. Lesen sich Feuchtwangers Einträge in jungen Jahren noch etwas schwülstig – Masturbation bezeichnet er etwa als „Exceß in Priapo“ –, wird er später sachlicher, wie Modick sagt. 

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Allerdings besteht das Tagebuch nicht nur aus seinen Sexeskapaden. Vor allem auf seinen Reisen nach Amerika (1933) oder nach Moskau (1937) bricht Feuchtwanger aus seinen routinierten Tagesabläufen aus. Berichtet etwa von einer persönlichen Einladung Stalins. „Das macht ihn nicht unbedingt sympathisch, aber erzählt doch viel über ihn“, so Modick. Überhaupt seien die Tagebücher eher wichtig, um dem Leser ein psychologisches Bild von Feuchtwanger zu zeichnen, als etwas über sein Werk zu erfahren. Genau deshalb sei eine Veröffentlichung wichtig und richtig, ergänzt Nele Holdack. Zwar sei anzunehmen, dass Feuchtwanger seine Tagebücher nur für eigene Zwecke und nicht für die Öffentlichkeit geschrieben habe, vernichtet hat er sie aber auch nicht. 

Ein wichtiges Zeugnis über Feuchtwangers Leben

Natürlich habe sich der Verlag Gedanken gemacht, ob die doch sehr persönlichen Einträge für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Auch in Hinblick auf die zahlreichen Frauenerwähnungen Feuchtwangers. Aber: „Es ist ein wichtiges Zeugnis über Feuchtwangers Leben und auch über seine Zeit“, so Holdack. Den Vorwurf des Voyeurismus weist sie zurück: Wie den editorischen Notizen des Buches zu entnehmen ist, wurden von rund 750 erwähnten „gevögelt“ nur 100 aufgenommen, von rund 650 „gehurt“ nur 40.  

„Uns ging es keinesfalls um Zensur“, betont Nele Holdack. Gestrichen wurde lediglich, was keine neue Erkenntnisse gebracht habe. Für die Forschung wünscht sich die Lektorin eine vollständige digitale Ausgabe, in der aktuellen Ausgabe ginge es aber eben auch um eine allgemein gute Lesbarkeit.  Dass diese erreicht ist, zeigte Klaus Modick am gestrigen Sonntag beim Lesen mehrerer Passagen – und das Publikum mit seinen amüsierten Reaktionen. 

- Lion Feuchtwanger: Ein möglichst intensives Leben. Die Tagebücher. Aufbau Verlag, 2018, 640 Seiten, Hardcover, 26 Euro. 

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