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Kultur: Die samtene Trilogie

Theater mit Serienambition: Am heutigen Freitag feiert die Gruppe Uniater mit dem ersten Teil ihres Experiments „Men in Space: Ikarus“ im Treffpunkt Freizeit Premiere

Ein leicht melancholischer Unterton zieht sich durch die nächtliche Szenerie. „Dreh dich wie ein Kreisel“, flüstert der Sänger der Band ins Mikrofon, während das Unerzählbare auf der Bühne einer Choreografie überlassen wird. Wir befinden uns in den letzten Proben des neuen Stücks der Theatergruppe „Uniater“ im Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten, es ist der Vortag der Premiere. „Men in Space“ heißt das Stück, das hier von der 2012 gegründeten Theaterformation für junge Erwachsene aus Potsdam und Berlin geprobt wird. Es beruht auf dem Debütroman des britischen Autors Tom McCarthy – und spielt im Prag des Jahres 1992. Eine Uraufführung zudem: Den Text des Buches hat die Theatergruppe mit dem Segen des Schriftstellers kurzerhand selbst übersetzt und in ein Theaterstück verwandelt.

Und mehr noch: „Wir nehmen den Roman und kredenzen ein dreiteiliges Theaterevent“, sagt Regisseurin Sina Schmidt – eine Trilogie. Teil eins heißt „Ikarus“. Jedes Jahr soll es ein neues Theaterstück geben, jedes Stück soll für sich allein stehen können – aber insgesamt doch ein völlig neues, stimmiges Gesamtbild ergeben. Damit orientiert sich die Theatergruppe bewusst an den Formaten erfolgreicher Fernsehserien – ein Experiment.

Die Geschichte selbst handelt von dem jungen Maler Ivan Manasek, der sich im Prag der frühen 90er in der Künstlerszene herumtreibt, eine Clique im kreativen Schwebezustand zwischen Zusammenbruch und verheißungsvollem Neuanfang nach der Samtenen Revolution. Ein Bekannter vermittelt ihm den Auftrag, eine Ikone zu kopieren, ein lukratives Geschäft zunächst – und Ivan macht sich wie besessen an die Arbeit. Was er nicht weiß: Dass die bulgarische Mafia, allesamt Glücksritter des hereinbrechenden Kapitalismus, hinter dem Auftrag steht, um das Original zu einem Käufer in die USA zu schmuggeln. Und dass er schon lange unter Beobachtung des Staatsschutzes steht: Die Geschichte wird immer fataler für ihn, zeichnet aber zugleich das zeithistorische Porträt einer ganzen Epoche. Autobiografisch ist das obendrein: McCarthy verbrachte genau diese Zeit ebenfalls in Prag.

Die detaillierten Beschreibungen der goldenen Stadt, die nicht nur durch die architektonischen Brüche deutliche Parallelen zu Potsdam hat, führten die Theatergruppe zu einer gemeinsamen Reise an den Ursprung der Geschichte – und sie finden sich in Bildern auch auf der Bühne wieder. Ebenso wie das Ikonenbild, das im Buch beschrieben wird und sich in Elementen des Bühnenbildes wiederfindet. „Ich wollte erst eine richtige Ikone schaffen“, sagt Bühnenbildner Matej Rízek. „Dann hatte ich die Idee, Teile der Ikone direkt in die Bühne einfließen zu lassen.“ Musikalisch begleitet wird „Ikarus“ von der Band Terminator Knödel – nachdem in der Werkstattproduktion noch Vizediktator für den Soundtrack sorgten.

„Ein Traum wäre ja, am Ende alle drei Teile hintereinander zu spielen“, sagt Regisseurin Schmidt. Das stehe aber noch in den Sternen. Fest stehe hingegen die Komposition der Trilogie: Während „Ikarus“ aus der Perspektive des Künstlers erzählt, folgen darauf die Perspektive der Mafia und letztlich die Perspektive des Staatsschutzes. Bleiben wir dran. Oliver Dietrich

„Men in Space: Ikarus“: Premiere heute um 19.30 Uhr im Treffpunkt Freizeit, Am Neuen Garten 64. Weitere Vorstellungen am Samstag und Sonntag

Oliver Dietrich

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