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Kultur: Die Nacht kommt

Die Ausstellung „Lichtblicke. Zeitgenössische finnische Fotografie“ stellt fünf künstlerische Positionen vor. Ein Rundgang

Bei uns naht die dunkle Jahreszeit, für die Finnen ist es in ihrem Land bald mehr als dunkel. „Kaamos“ naht, die lichtlose Zeit. Die Sonne geht kaum auf, wenn überhaupt, so erscheint nur matte Helligkeit am Himmel. Sonst ist es Nacht. Es ist das Pendant zu den Sommernächten, in denen das Land fast taghell in mildes Licht gehüllt ist. Dramatisch sind die Kontraste der Natur im hohen Norden, und natürlich ist daher, dass auch die finnischen Künstler, und erst recht die Fotografen, sich dem Thema Licht und Dunkelheit nicht entziehen können.

„Lichtblicke“ heißt die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Kunsthaus Potsdam im Ulanenweg. In Zusammenarbeit mit dem Finnischen Kulturinstitut Berlin ist sie entstanden und zeigt Arbeiten von fünf finnischen Künstlern einer mittleren und jüngeren Generation – der älteste ist Jahrgang 1964, die jüngste 1981. Alle fünf gehören, so die Kuratorin Ritva Röminger-Czako, zu den interessantesten und eigenständigsten Fotografen ihres Landes.

Ins Auge tritt zuerst das alles umhüllende Schwarz im Werk von Ola Kolehmainen. Ein Fenster, eine Tür, beide hell erleuchtet, tauchen die Umgebung in tiefsten Schatten. Erst auf den zweiten Blick sind tiefer liegende Strukturen, Schattierungen, zu erkennen. Der Fotograf, der seit 2005 in Berlin lebt, gilt als einer der wichtigsten Vertreter abstrakter minimalistischer Fotografie in Finnland. Bekannt geworden ist er mit Aufnahmen moderner Architektur. In verschiedenen Werkserien widmet er sich modernen Bauten – aber er bildet nicht ab, sondern spielt mit dem Material, mit intensiven Mehrfachbelichtungen und deutet eher, als dass er dokumentiert. Die ausgestellten Arbeiten entstammen einer Werkgruppe, in der er sich mit den Bauten des finnischen Architekten Alvar Aalto, dem Begründer der nordischen Moderne, auseinandersetzt. Ausgangspunkt für Kolehmainen waren Negative aus der Fotosammlung des Alvar-Aalto-Museums, die er großformatig entwickelt und mit Licht verändert hat. Großartige und faszinierende Spiele mit Licht und Schatten sind so entstanden, die den Betrachter in den Bann ziehen und in eine ungeahnte Dreidimensionalität schicken.

Noch tiefer in die Abstraktion führt auch sein Bild „Library 1“ aus dem Jahre 2011: ein schwarzes Oval, schwebend über Linien, Lichtkanten, die einen Raum andeuten – nicht weiß, sondern stärker als weiß, in einer fluoreszierenden Helligkeit. Gleich daneben spielt Pertti Kekarainen mit Licht und Linien, die – wie alle ausgestellten Werke und dank der ausgezeichneten Kuration – mit den benachbarten Fotografien auf unglaublich spannende Weise korrespondieren. Wieder wird eine Tür, diesmal auf einen steril wirkenden Gang, zum Ausgangspunkt einer künstlerischen Reise in die Gefilde der Geometrie.

Und irgendwo muss natürlich auch Aki Kaurismäki vorkommen. Markus Henttonen ist es, der dem Großmeister des finnischen Films aufwartet. Mit einer Landschaft, so eintönig wie sie eben ist im Norden: ein Wald, ein Weg, vielleicht ein Feld, manchmal ein See. Und Licht: hell erleuchteter Schnee, die Schaumkrone einer Welle, ein altes Auto, alles umhüllt von Nacht. Die Bilder strömen einen Stillstand aus, wie er schöner kaum sein kann, ein Dunkel, das den Blick nach innen lenkt, in das man sich einfühlen kann und das nach und nach wieder Licht enthüllt.

Und die Menschen? Sie wirken genauso faszinierend mit ihrem eindringlichen Blick, den Nelli Palomäki in den Gesichtern von Kindern eingefangen hat und der einen kaum loslässt.

So eigenständig die Werke der Fotografen und Fotografinnen wirken, so interessant ist auch der Dialog zwischen den einzelnen Positionen gestaltet. Wie ein abseitiger Mittelpunkt, gleich links vom Eingang der Ausstellung, thront das Licht – in Form einer abstrakten Fotografie, meterhoch in warmem Orange. Bögen und Ringe wie helle Schatten auf der schwarzen Scheibe um ein weißes Loch. Auch das, überraschend, von Ole Kolehmainen. Ein Schwergewicht, buchstäblich sogar, wie es großformatige C-Prints hinter Acrylglas eben sind.

Eine Entdeckung sind auch die Arbeiten von Anni Leppälä. Sie umgibt ihre Figuren, meist junge rothaarige Frauen, mit einer sanften Hülle, einem feinen Stoff, mal abstrahierend, mal intuitiv assoziierend. Ihr ist die Galerie des Kunsthauses gewidmet. Wie auch die anderen Künstler bringt sie den gesamten Raum zu einem ganz eigenen Schwingen. G. Weirauch

„Lichtblicke“ bis 22. Oktober zu sehen im Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9

G. Weirauch

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