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Die Mark, verdichtet zum Kunstwerk: Rainer Ehrt und seine „Preußischen Landfahrten“

Geschichte, wohin man tritt, und gar nicht wenig. Es lohnt, die Mark Brandenburg zu durchstreifen, auch wenn vornehmlich die 20- bis 30-Jährigen auf Mallorca eher zu Hause sind als am Stechlinsee und mit der Provence mehr vertraut sind als mit dem Fläming.

Geschichte, wohin man tritt, und gar nicht wenig. Es lohnt, die Mark Brandenburg zu durchstreifen, auch wenn vornehmlich die 20- bis 30-Jährigen auf Mallorca eher zu Hause sind als am Stechlinsee und mit der Provence mehr vertraut sind als mit dem Fläming. Soll man es ihnen verdenken. Für alte Knöppe, wie Theodor Fontane sagte, gehört sich das aber nicht. Man fährt in das Land der Herkunft.

Da muss man Herrn Fontane widersprechen. Auch jüngere Leute sollten die Umgebung, in der sie leben, näher kennenlernen. Der Maler und Grafiker Rainer Ehrt gehört noch längst nicht zu den alten Knöppen. Er stammt auch nicht aus dem Märkischen, sondern aus dem Harz, wohnt aber seit etlichen Jahren in der Umgebung von Potsdam. Das leidenschaftliche Interesse an Historie führt ihn immer wieder in das alte Brandenburg, deren Städte und Dörfer zur Preußenzeit mehr oder weniger Karriere machten. Der Putz an den alten Gebäuden, ob Schloss, Kirche, Bürger- oder Bauernhaus, bröckelt längst nicht mehr. Man kann getrost zeigen, was nach der politischen Wende 1989 aus uns geworden ist.

Rainer Ehrt durchstreift mit kritischen und doch liebevollen Augen und Gedanken das Land und bringt seine inneren Bilder oder Skizzen mit nach Hause und verdichtet sie zu Kunstwerken. Mit seinem unlängst erschienenen Bild-Text-Band lädt er den Betrachter und Leser zu seinen ganz persönlichen „Preußischen Landfahrten“ ein. Ehrt hat bekanntlich seine eigene Sicht auf die preußische Vergangenheit. Das konnte man bereits in früheren Ausstellungen und Veröffentlichungen erfahren. Der Künstler, der sich in der Geschichte Brandenburgs und Preußens bestens auskennt, würde die Vergangenheit keineswegs vergolden, ihn interessiert eher, wo sich seit Jahrhunderten auch Rost angesetzt hat. Seinem Nachdenken, an dem er den Betrachter Anteil nehmen lässt, ist dem Bild „Große Neugierde / Glienicker Brücke“ beigegeben: „Grübelnd was war / Zweifelnd was bleibt / Neugierig was kommt“.

In verschiedenen bildkünstlerischen Techniken wie Aquarell, Tusche, Acryl oder Graphit begegnen dem Betrachter Bilder, die erzählerisch und nachdenklich, humorvoll und auch bitter sind. Die preußischen Könige müssen so manche Ironie in Bild und Gedicht über sich ergehen lassen, für die fürstlichen Verwandten wie Friedrichs Bruder Heinrich in Rheinsberg hält Ehrt dagegen mildere Töne bereit, aber auch Anklagen nach dem Siebenjährigen Krieg: „Der Krieg hat meine Jugend gefressen / der Krieg hat meine Träume gefressen / Der Krieg hat meine Freunde gefressen“. Und Mozart ist enttäuscht von Preußen: „Man spielt meine Oper cheri / Herzlich schlecht aber man spielt sie / Der Hof hat keinen Geschmack / Der König lässt Grüße bestellen ...“ Rainer Ehrts Bilder und Gedichte sind zupackend und vital, sie zeigen Sinn für den Zauber der Linien und Farben, Sinn für eine sprachschöne Poesie. Besonders gelangen ihm auch die stillen Momente: die Begegnung mit der herben Landschaft der Mark. „Dunstblau über müdem Laubgelb / Sandige Scholle abgearbeitete / Neigt sich das Licht zu langen Schatten“ weiß Ehrt zu dem Bild „Weg übers Feld“, der in der Ferne einen Kirchturm freigibt, zu schreiben. Der Dialog von Malen und Schreiben bringt dem Publikum geistig-sinnlichen Genuss. Klaus Büstrin

Rainer Ehrt, Preußische Landfahrten, Dahlemer Verlagsanstalt, 40 Euro

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