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Das Edelste. Neben Kristall ist es das kobaltblaue Zaffera, das Potsdamer Glas zu einer Besonderheit macht.

© Potsdam Museum

Kultur: Die Kunst, Geschichte zu schneiden

Das Potsdam Museum veranstaltete ein Symposium zu seiner Herbst-Ausstellung „Gläserne Welten“

Schön und zierlich – aber nutzlos. So die vorherrschende Auffassung über Glas zu Zeiten Friedrichs I. Dessen Vater, der Große Kurfürst, hatte noch enorme Summen für die Glasmacherei in der Stadt ausgegeben und einem Alchemisten die ganze Pfaueninsel für Experimente überlassen. Damit war nach des Kurfürsten Tod Schluss. Der Glasmacher Johannes Kunckel fiel in Ungnade beim ersten König von Preußen und verließ die Stadt als armer Mann. Denn mit den dunkelroten, sogenannten goldrubinen, und blauen Kelchen konnte der König nichts anfangen. Glas war kein Geld, und eben auch kein Gold.

Das Potsdam Museum veranstaltete am Freitag ein Symposium zum heute in Fachkreisen berühmten Potsdamer Glas. Die mit rund 70 Teilnehmern gut besuchte Veranstaltung war zugleich ein Vorgeschmack auf die Ende August eröffnende Ausstellung „Gläserne Welten – Potsdamer Glasmacher schneiden Geschichte“. Erstmals wird das Museum sich dieses „ureigenen Potsdamer Themas“, wie Museumsleiterin Jutta Götzmann es nennt, in einer groß angelegten Sonderausstellung annehmen. Die Ausstellung, die bis Ende November zu sehen sein wird, sei zugleich Höhepunkt des Museumsprogramms dieses Jahr.

Denn die Aufarbeitung der Potsdamer Glasmacherei ist sowohl von kultur- als auch wirtschaftsgeschichtlichem und kunstgewerblichem Interesse. Und nicht zuletzt umgibt gerade Johannes Kunckel eine Aura des Geheimnisvollen. Ein regelrechtes Revival erlebt diese schillernde Gestalt des 17. Jahrhunderts derzeit, eine im Juni des vergangenen Jahres eröffnete Dauerausstellung auf der Pfaueninsel zeugt davon.

1678 hatte der Große Kurfürst Kunckel nach Potsdam geholt und ließ in der Glashütte Potsdam-Drewitz, am Hakendamm, Kristallglas entwickeln. Von besonderem Reiz war allerdings das farbige Glas, das in Brandenburg hergestellt wurde. Das von Kunckel neu erfundene Goldrubinglas gilt heute als Höhepunkt der Glasgeschichte. Mit der roten Farbe des Goldrubins verband Kunckel – ganz Alchemist – symbolische und gesundheitsfördernde Eigenschaften und setzte zugleich neue Maßstäbe in der Herstellung. Aber auch die einst überaus aufwendige Kunst, kobaltblaues Glas, das sogenannte Zaffera, herzustellen und zu schneiden, macht aus den Potsdamer Gläsern des Barock Raritäten. Wie Glassammler Matthias Heintzen aus Wolfsburg in seinem Vortrag ausführte, sind gerade die Potsdamer Zaffera-Gläser aufgrund ihrer Stärke – bis zu zwölf Millimeter – und ihres besonderen Schliffs mit sogenannten tiefen Kugelungen weltweit begehrt. Denn „blaues Glas ist etwas Großartiges, sehr Geschätztes, was als Sammler heute kaum zu bekommen ist“. Das Potsdam Museum wird in seiner Ausstellung ein gutes Dutzend dieser kostbaren Objekte zeigen.

Auf Johannes Kunckel geht aber nicht nur das Potsdamer Glas zurück, sondern auch Beschreibungen, fast Rezepturen, wie das blaue Glas herzustellen ist, erläutert Heintzen. Beim Goldrubinglas hingegen gibt es keine schriftlichen Zeugnisse, so der Direktors des Glasmuseums Hentrich, Dedo von Kerssenbrock-Krosigk. Vielleicht, so seine Vermutung, wurden diese heute so seltenen Glasobjekte lediglich über einen sehr kurzen Zeitraum von etwa einem Monat produziert und danach die Herstellung aufgegeben, da sie zu aufwendig und kostspielig war.

Während in Venedig farbiges Glas im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts gang und gäbe war, blieb es in Mitteleuropa eine Besonderheit. Die Brandenburger Glasmacherei gilt dabei als technologischer Vorreiter, wie der Museumsdirektor, einer der führenden Experten auf dem Gebiet der barocken Glasforschung, erklärt. Auch wenn Friedrich I. den Nutzen der Glasmacherei, die sein Vater so unterstützte, nicht sah – für Sammler und Kunsthistoriker ist das farbige Glas, gerade das blaue, heute von enorm hohem Wert: Nicht zuletzt gilt es als fälschungssicher, wie Dedo von Kerssenbrock-Krosigk sagt: „Was damals geschaffen wurde, ließ sich schon ein Jahrhundert später nicht mehr originalgetreu nachbilden.“ Und heute sei dies erst recht nicht mehr möglich. Grit Weirauch

Grit Weirauch

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