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Kultur: Die Kunst des Dialogs

Eine Perle für Freunde der Kammermusik: Die Soiréen-Reihe feiert 25. Jubiläum

Die erste Soirée war proppevoll. Es wurde damals nicht nur eine Veranstaltung angekündigt, sondern zugleich ein ganzer Reigen von fünf Konzerten. Der Auftakt der „Musikalisch-literarischen Soiréen im Alten Rathaus“ im September 1991 war vielversprechend. Das Konzertangebot mit dem etwas sperrig-umständlichen Namen wurde von vielen Potsdamern und Berlinern gern und rege angenommen. Bis heute. 25 Jahre sind nun ins Land gegangen, seit die erste Soirée aus der Taufe gehoben wurde. Der Erinnerungen gibt es viele und man feiert das Vierteljahrhundert-Jubiläum am morgigen Samstag natürlich mit einer Soirée.

Der Dortmunder Pianist, Musikprofessor und Manager Roland Pröll hatte nach der politischen Wende Anfang der 1990er-Jahre die Idee, brandenburgischen Kultureinrichtungen unter die Arme zu greifen, finanziell und personell. Das Kennenlernen von ost- und westdeutschen Musikern und Zuhörern, das Miteinandermusizieren stand dabei im Vordergrund. Überheblichkeit oder Besser-Wessitum kamen für Roland Pröll sowie für die renommierte Berliner Violinistin Marianne Boettcher, die sich der Dortmunder an seine Seite holte, gar nicht in den Sinn.

Noch 1991 wurden die Soiréen im Alten Rathaus unter einen Vereinsstatus gestellt, der für ein besseres finanzielles Polster sorgen sollte. Die Mitarbeiterinnen des Kulturhauses in der historischen Mitte waren dankbar, dass sie wieder regelmäßig kammermusikalische Veranstaltungen präsentieren konnten. Mitte der 1990er-Jahre zog sich Pröll aus Potsdam zurück. Marianne Boettcher übernahm den Vereinsvorsitz und verantwortete die künstlerische Gestaltung der Konzertprogramme allein. Die Geigerin, die als Violin-Professorin an der Universität der Künste in Berlin lehrt, kennt viele namhafte Musikerinnen und Musiker, die sie für die Soiréen-Reihe gewinnen konnte. Und sie kamen und kommen gern ins Alte Rathaus, das seit 2012 das Potsdam Museum beherbergt. Auch ins Rathaus Babelsberg. Letzteres war ursprünglich nur als Ausweichstätte gedacht. Inzwischen gibt es dort regelmäßig Soirée-Programme. Der Pianist Alexander Malter, der Cellist Wolfgang Boettcher, die Chansonsängerin Johanna Arndt, der Violinist Peter Rainer, die Flötistinnen Birgitta Winkler und Adelheid Krause-Pichler, die Pianistin Ursula Trede-Boettcher und der Cembalist Armin Thalheim waren und sind in den Veranstaltungen immer wieder zu erleben. Mit großer Freude engagiert die Vereinschefin junge Leute, die am Anfang ihrer Musikerlaufbahn stehen. Erst im Sommer dieses Jahres begeisterten zwei ihrer Studentinnen mit musikantischem und subtilem Spiel die Zuhörer.

Marianne Boettcher musiziert natürlich als Solistin in den Soiréen auch selbst. Die im In- und Ausland gefragte Geigerin spielt am liebsten Kammermusik aus allen Musikepochen, auch aus unserer Zeit – etwa von dem Potsdamer Komponisten Gisbert Näther. Kammermusik ist die konzentrierteste Form des Komponierens und die intimste Art des Musizierens: In ihr wird mit wenigen Stimmen und in kleiner Besetzung Wesentliches gesagt. Diesem anspruchsvollen Genre widmet sich die Veranstaltungsreihe mit Erfolg. „Man hört vier vernünftige Leute sich untereinander unterhalten und glaubt ihren Discursen etwas abzugewinnen“, notierte Goethe bewundernd – und beschrieb damit das Wesen der Gattung: Kammermusik ist die Kunst des Dialogs.

Vielleicht ist die Literatur in den zweieinhalb Jahrzehnten aber doch zu kurz gekommen. In den kommenden Veranstaltungen – sechs bis acht Soiréen gibt es im Jahr – wird es nun Literarisches geben: Gedichte von Erich Kästner und eine Lesung aus der bedeutenden Luther-Biografie von Heinz Schilling.Klaus Büstrin

„Musikalisch-literarische Soiréen“: Jubiläumskonzert am 19. November um 17 Uhr, im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9

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