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Kultur: Die Kraft der Schwachen

Buchpremiere „Der Windmüller und der Flötenkönig von Sanssouci“ im Kunstgriff 23

Wohl jeder, der dem Park Sanssouci einen Besuch abstattet, hat sich sicher einmal gefragt, wie die stattliche Windmühle neben das friderizianische Rokokoschloss gelangt ist. Und, ob diese unmittelbare Nachbarschaft so völlig unterschiedlicher Gebäude und Bewohner damals ganz ohne Schwierigkeiten möglich war. Beschäftigt man sich näher mit der Potsdamer Stadt- und Baugeschichte, stößt man auch bald auf den berühmten „Mühlenstreit“ zwischen Friedrich dem Großen und dem Müller Johann Wilhelm Grävenitz, der 1746 mit der Klage des Windmüllers gegen seinen König begann.

Der Potsdamer Schriftsteller und Verleger Karl-Heinz Otto hat bereits 2003 in seiner Sachbuchedition Märkische Reisebilder die wechselvolle Geschichte der sogenannten Historischen Mühle von Sanssouci dargestellt. Besondere Resonanz erhielt er danach vom heutigen Müller Torsten Rüdinger, der ihn ermunterte, gerade die Geschichte der äußerst ungleichen Kontrahenten für Kinder aufzuschreiben. Anfang diesen Jahres war es dann soweit. Der 70-jährige Autor nutzte einen unliebsamen aber nötigen Krankenhausaufenthalt, um die bekannte Legende auf märchenhafte Art und Weise neu zu interpretieren. Die Malerin und Grafikerin Heike Isenmann schuf in diesem, ihrem ersten Buchillustrationsauftrag, vielfarbige und einfühlsame Bilder dazu. Von denen man sich aber wesentlich mehr ganz- als zum Teil redundante halbseitige gewünscht hätte.

Am Montagabend fand nun die öffentliche Buchpremiere in Anwesenheit des Autors im behaglichen Lesesalon des Ateliers „Kunstgriff 23“ statt. Die mit Heike Isenmann befreundete Bildhauerin und Keramikerin Rapunzel Bräutigam lieh den erwachsenen und kindlichen Figuren ihre modulationsreiche Stimme und entführte das knappe Dutzend erwachsener Zuhörer sowohl in einen Teil der verbürgten Historie als auch in eine zauberhafte Phantasiewelt.

Denn CARLOTTO, so nennt sich der Verleger als Schriftsteller, gelingt es in seiner märchenhaften Erzählung nicht nur, wesentliche historische Begebenheiten und vor allem die Lebensumstände der „kleinen Leute“ wieder aufleben und insbesondere für Grundschulkinder plastisch werden zu lassen. Sondern er erfindet auch ein schönes Gleichnis für die Kraft der sogenannten Schwachen. Die Kleinsten – Kinder und Mäuse – sind es nämlich, die die enervierenden Streitereien der uneinsichtigen Erwachsenen über Nacht gegenstandslos werden lassen. Das ist, wenn auch in einigermaßen großväterlicher Manier erzählt und manchmal ein bisschen breit „ausgepinselt“, sehr heutig gedacht.

Ein schönes Beispiel für Selbstbewusstsein und fast modernes Rechtsempfinden ist auch der Beschwerdebrief des Windmüllers an den „Flötenkönig“, der jedoch anders als gewünscht und gedacht, die Streitigkeiten erst so richtig eskalieren lässt. Dann aber treten die auf den Plan, mit denen niemand gerechnet hat und schaffen das Unmögliche.

Am Montagabend lauschten Erwachsene über eine Stunde lang der phantasievoll erzählten Geschichte und es wäre wohl an den kommenden Feiertagen eine gute Gelegenheit – ein wenig Geschichtsvermittlung inklusive – auch Leser zwischen 6 und 10 Jahren damit vertraut zu machen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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