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Kultur: Die Irren sind wieder da

„Psychomania Rumble“ im Lindenpark

Irgendwie schienen die ganzen Rockabillys, die in den 80er-Jahren mit Oldtimern, Lederjacken und puristischer Rock’n’Roll-Musik auftauchten, aus einer anderen Zeit zu kommen. War diese Form von Rock’n’Roll nicht schon Jahrzehnte davor verschwunden? Überhaupt spielte Rockabilly in den Vereinigten Staaten gar keine so große Rolle, in Europa dafür umso mehr. Schließlich traf in England – wo sonst – die Rockabilly- auf die Punk-Bewegung: An der Schnittstelle beider musikalischen Spielarten entstand dann Psychobilly, der viele Elemente des klassischen Horrorfilms thematisch aufnahm. Die Urväter dieses Stils sind die Musiker der britischen Psychobilly-Band The Meteors – am kommenden Wochenende spielt die Band zusammen mit zahlreichen anderen im Potsdamer Lindenpark zum nunmehr neunten „Psychomania Rumble“.

Und ja, ein bisschen irre wird sich diese bunte Gesellschaft, die am Freitag und Samstag nach Babelsberg pilgern wird, schon geben, schließlich hat sich die ganze Horror-Szenerie als Dresscode etabliert. Kleine Erkennungshilfe: die Flattop-Frisur, wobei die Seiten meist abrasiert werden, während der Rest der Haare als Tolle hochgestylt wird – das fällt nicht nur auf, sondern sieht auch noch ausgesprochen gut aus. Auch Lederjacken mit Nieten sollten am Wochenende niemanden erschrecken, erst recht nicht diverse Horror-Insignien wie Särge, Kreuze oder Totenschädel – das alles gehört zum stilvollen Erscheinungsbild. Ein bisschen ist es vielleicht so, als wäre Elvis Presley auferstanden und als Untoter in die Welt zurückgekehrt.

Richtig spannend ist die ganze Szenerie aber nicht nur auf der optischen Ebene, die natürlich auch identitätsstiftend ist, sondern auf der musikalischen: Der klassische Rock’n’Roll-Sound fusioniert mit Elementen des Punkrock, eines der Hingucker-Instrumente ist der Kontrabass, der oft anstelle einer Bassgitarre eingesetzt wird. Das kann zuweilen recht wild werden, definiert sich die zwar überschaubare, aber lebhafte Szene ja auch durch ihre Bereitschaft zu exzessiven Partys: Man lebt nur einmal, da kann man sich noch so oft als Untoter inszenieren. Damit unterscheidet sich die Szene aber von der Punk-Bewegung, die ja in der Regel politische Botschaften transportiert – in der Musik der Psychobillys ist Politik eher die Ausnahme.

Dass für das Festival „Psychomania Rumble“ Aufwand gescheut wird, lässt sich die Crew vom Lindenpark jedenfalls nicht nachsagen: Die Bands lesen sich wie ein Who-is-Who der europäischen Szene. Neben den Meteors finden auch etwa The Sharks, Frantic Flintstones, und Frenzy den Weg vom Vereinigten Königreich nach Babelsberg, aber auch – nomen est omen – die österreichische Band Bloodsucking Zombies from Outer Space oder aus Tschechien The Rocket Dogz. Da wird es im Lindenpark international werden, jede Wette. Oliver Dietrich

„Psychomania Rumble 9“ am Samstag und Sonntag im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76–78. Das Wochenendticket gibt es ab 52 Euro. Infos unter www.lindenpark.de

Oliver Dietrich

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