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Ratlos. Carsten Voigt, Susan Neiman und Michael Naumann.

© Andreas Klaer

Kultur: Die gleichen Topoi wie Hitler

Im Einstein Forum diskutierten Susan Neiman und Michael Naumann den Erfolg von Donald Trump

Die US-Amerikaner sind ein friedliches Volk. Keine Rassisten oder Nationalisten. So jedenfalls beschrieb sie Michael Naumann, der ehemalige Staatskulturminister und Ex-Mitherausgeber der „Zeit“, am Donnerstagabend im Einstein Forum. Dennoch haben die US-Amerikaner Donald Trump, der in seinem Wahlkampf auf der Klaviatur von Rassismus und Nationalismus spielte, zum Präsidenten gewählt. Warum? Das diskutierte Naumann mit der Direktorin des Forums, Susan Neiman, und dem Experten für deutsch-amerikanische Beziehungen Karsten Voigt. Man war sich einig: Der Abbruch des Dialogs innerhalb der amerikanischen Gesellschaft erst hat ein Wahlergebnis möglich gemacht, das in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft als Desaster empfunden wird.

Wütende Proteste auf den Straßen nach einer Präsidentschaftswahl hat es in den USA bis jetzt nicht geben. „Niemand glaubt mehr an die Gemeinsamkeit aller. Wir haben die Welt so weit dekonstruiert, dass niemand mehr die Gemeinsamkeiten sieht. Dazu haben auch die Philosophen beigetragen“, stellt durchaus selbstkritisch Neiman, die selbst Philosophin ist, fest. Trump jedoch habe in seinem Wahlkampf und seinen Reden eine beispiellose Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft vorangetrieben, indem er Latinos als Vergewaltiger beschimpfte, Frauen als willige Sexualobjekte klassifizierte und überhaupt wenig Gelegenheiten ausließ, auf alles verbal einzuprügeln, was ihm als Ausbund politischer Korrektheit erschien. Ein Vergleich der Reden Adolf Hitlers und Trumps zeige, dass der Amerikaner teilweise die gleichen Topoi nutze, analysiert Naumann: Fremdenhass, Lagermentalität, Betonung der nationalen Einheit und eine Argumentation, die emotionalisiert und nicht auf politischer Analyse fußt. Grundlage eines solchen Wahlkampfes sei die große Bekanntheit Trumps, die er auch schon vor der Präsidentschaftskandidatur genossen hatte. Und die stammte nicht aus einer politischen Laufbahn, sondern fußte auf seiner Popularität als Unternehmer und Entertainer in zahlreichen Shows und Filmen. Darin ähnle er dem Ex-Präsidenten Ronald Reagan.

Jetzt komme es jedoch darauf an, zu schauen, welche Politik Trump tatsächlich auch gegenüber Europa betreibe, stellte Voigt fest: „Man kann nicht jemanden erst beschimpfen und dann sagen: Jetzt lass uns mal verhandeln.“ Also gelte es nun erst einmal Kontakte zum neuen Präsidenten zu knüpfen, bisher habe man sich nur auf Hillary Clinton eingestellt. Welche Außenpolitik Trump betreiben würde, sei unklar, denn bisherige Statements seien eher widersprüchlich. „Die Außenpolitik macht keine Pause wegen Trump, aber es wird wohl erst einmal Funkstille sein“, bemerkte Voigt. Zu befürchten sei, dass Trump, wie angekündigt, Klimaabkommen kündige, an denen sich die USA bisher ohnehin mit wenig Enthusiasmus beteiligt hätten, und dass amerikanischer Protektionismus sich negativ auf die Weltwirtschaft auswirken würde. Der Niedergang eines Teils der amerikanischen Wirtschaft und die damit verbundene Verarmung weiter Teile der Bevölkerung sei ohnehin einer der Gründe für den überraschenden Wahlsieg gewesen. Weite Teile Amerikas würden nur als „Fly over countries“ und als „Rust Belt“ wahrgenommen, so Neiman – als Länder, die man überfliegt und eigentlich aus lauter veralteten Industrien bestehen. Diese seien auch von Demoskopen und Wahlforschern nicht wahrgenommen worden.

Es gelte aber genau die Menschen zu erreichen, die Trump nun eher aus Protest gegen das Establishment gewählt hätten, das sie in Hilary Clinton verkörpert sehen. In der Wahl Obamas habe sich eine gesellschaftliche Entwicklung manifestiert, die Schwarzen gleiche Rechte einräumt und diese auch in herausgehobene gesellschaftliche Positionen befördert habe, so Naumann. Trotz dieser sehr positiven Tendenz sei in der amerikanischen Gesellschaft aber die Trennung von gesellschaftlichen Schichten und Gruppen fest zementiert. Republikaner und Demokraten leben in verschiedenen Wohnvierteln und nutzen unterschiedliche Medien, die je auch nur einen politischen Standpunkt vertreten.

Susan Neiman hat jüngst in den USA für ein neues Buch zu den Spaltungen in der Gesellschaft recherchiert und festgestellt, dass Obama und seine Familie sich noch so vorbildhaft verhalten könnten, Vorurteile sitzen tief. Republikaner wie Trump nehmen Latinos und Schwarze fast ausschließlich als unterprivilegierte Hilfskräfte wahr. „Bei der Wahlfeier Trumps hat ihm kein Schwarzer gratuliert“, bemerkte Neiman. Wie diese gesellschaftliche Spaltung wieder zu beheben sei, dafür hat sie allerdings auch kein Konzept.

Richard Rabensaat

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