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Kultur: Die Geheimnis der Terra Preta Filmgespräch

im Haus der Natur

„Wir zeigen hier nur solche Filme, die die Menschen aufregen“, sagte Moderator Ernst-Alfred Müller am Mittwochabend, als im Haus der Natur der Dokumentarfilm „Rettung aus dem Regenwald? Die Wiederentdeckung der Terra Preta“ in Anwesenheit von Ingo Schulze gezeigt wurde. Der renommierte Schriftsteller hat 2011 im Rahmen seines Mainzer Stadtschreiber Literaturpreises gemeinsam mit Christine Traber diesen Dokumentarfilm realisiert, der sich mit dem Phänomen der „Schwarzen Erde“ (portugiesisch: Terra Preta de Indio) befasst.

Beide reisten nach Brasilien in den Amazonas, wo es noch Vorkommen dieser ungemein fruchtbaren Erde gibt, die, wie die alte Indio-Frau am Anfang des 45-minütigen Films sagte, kein Geschenk Gottes ist, sondern durch die Eingeborenen vor langer Zeit durch kluges Abfallmanagement selbst produziert wurde. Terra Preta besteht vorwiegend aus organischen Abfällen, tierischen und menschlichen Exkrementen und Holzkohle, die in einem Verrottungsprozess sich langsam aber sicher, in diese auch noch nach Jahrhunderten ohne zusätzliche Düngung fruchtbare, zum Teil meterdicke Erdschicht verwandelte. Dieses „schwarze Gold“, das im nährstoffarmen Amazonasboden eigentlich gar nicht vorkommen dürfte, wurde erst vor wenigen Jahren (wieder-)entdeckt.

Ingo Schulze erfuhr davon 2009, als er den Hamburger Siedlungswasser-Wissenschaftler Ralf Otterpohl kennenlernte, der ihn damit konfrontierte, dass die Wassertoilette ein zivilisatorischer Irrweg sei, wie der Schriftsteller in der Filmdiskussion am Mittwochabend sagte. Auch der Künstler Friedensreich Hundertwasser schrieb schon 1979/80 in seinem Pamphlet „Scheißkultur – die heilige Scheiße“ darüber, dass es ein Verbrechen sei, die menschlichen Exkremente nicht zur Humusgewinnung einzusetzen. Er stellte den Menschen, Humus und Humanität buchstäblich auf eine Stufe! An dieser Stelle schaltete sich der zweite Gast, der ostdeutsche Bodenkundler Haiko Pieplow in die lebhafte Diskussion ein.

Er berichtete, dass er zu Hause seit mehreren Jahren mit Trockentoilette, Pflanzenkläranlage und eigener Terra-Preta-Herstellung lebt und beispielsweise auch Projekte im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem mitinitiierte, die sich der Herstellung der fruchtbaren Erde widmen, die auch hierzulande dringend zur Bodenverbesserung gebraucht wird, da die Humusschicht nur noch wenige Zentimeter dick sei. Weil die industrielle Landwirtschaft seit Jahrzehnten zwar große Mengen mineralisches Material (Dünger) jedoch kaum organische Stoffe zur Bodenerhaltung und -verbesserung einträgt. „Die haben den Respekt vor dem Bodenleben total verloren“, sagte er und dass die Ursachen für die unzureichende Bodenpflege in der allgegenwärtigen Profitgier zu suchen sind.

Im Dokumentarfilm kam auch der Biologe Jürgen Reckin zu Wort, ein Pionier der Terra-Preta-Forschung, der eigentlich als Diskussionsteilnehmer angekündigt war. Er hat in jahrelanger Erprobung im eigenen Garten im brandenburgischen Finowfurt eine eigene Methode zur Herstellung von schwarzer Erde entwickelt, bei der zerfasertes Holz, Holzkohle und -asche, Urgesteinsmehl sowie bei den hiesigen Sandböden auch noch Tonmehl miteinander vermischt und mehrere Monate in flachen Mieten kompostiert werden. Regenwürmer vollenden diesen natürlichen Umwandlungsprozess. Auch Haiko Pieplow plädierte dafür, sich selbst entsprechendes Wissen anzueignen, das inzwischen im Internet und in verschiedenen Büchern verfügbar sei und beispielsweise im eigenen (Klein-)Garten damit zu experimentieren. Denn diese Revolution müsse wie alle anderen auch von unten ausgehen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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