zum Hauptinhalt

Kultur: Die Folgen der Privatisierung

Die 3. Brandenburger Ökofilmtour wurde im Filmmuseum mit „Der große Ausverkauf“ eröffnet

Das diesjährige Festival des Umwelt- und Naturfilms begann mit einem Paukenschlag. Zur Eröffnung am Mittwochabend im Filmmuseum wurde der 2007 entstandene Dokumentarfilm „Der große Ausverkauf“ des engagierten Filmemachers Florian Opitz gezeigt. Opitz (Jahrgang 1973) erzählt darin einfühlsam und aufrüttelnd die Geschichten von Bongani Lubisi, Minda Lorando, Simon Weller und Rosa de Turpo. Seine Protagonisten leben in Südafrika, auf den Philippinen, in Großbritannien und in Bolivien. Und, sie haben eines gemeinsam: Sie leiden direkt und unmittelbar unter den Folgen der Privatisierung öffentlicher Dienste, wie der Wasser- und Stromversorgung oder des Transport- und Gesundheitswesens.

2002, als der Regisseur mitden Recherchen begann, erntete er nur Kopfschütteln bei den Redakteuren von Fernsehsendern. Inzwischen ist das frühere „Unthema“ eines, das uns alle betrifft. Die letzte „hart aber fair“- Sendung – ebenfalls am Mittwochabend – beleuchtete beispielsweise die aktuelle Situation in unserem öffentlichen Gesundheitswesen, das sich wie andere weltweit immer mehr dem gnadenlosen Diktat der Effizienz beugen muss. In Florian Opitz“ Film kämpft die Philippinerin Minda Lorando um das Leben ihres 19-jährigen Sohnes Jinky, der seit drei Jahren zweimal wöchentlich eine Dialyse braucht. Diese kostet umgerechnet 40 Euro und die Frau, die bereits ihr Haus und ihre gesamten Ersparnisse dafür eingesetzt hat, bettelt verzweifelt Abgeordnete an, damit ihr Sohn weiterhin eine Überlebenschance hat. Weil sie arm ist, muss sie sich selbst von „Sozialarbeitern“ sagen lassen: „Akzeptieren Sie, dass ihr Sohn sterben wird.“

Auch das Thema Privatisierung der Bahn brennt uns in Deutschland seit geraumer Zeit unter den Nägeln. Wer genau wissen will, was das hierzulande bedeuten könnte, braucht im Film nur dem britischen Lokführer Simon Weller zuzuhören. Dem Regisseur gelingt es nicht nur an dieser Stelle eindrucksvoll, die menschlichen Schicksale hinter den nackten Zahlen deutlich werden zu lassen. Joseph E. Stiglitz, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften bringt es auf den Punkt: „Ich habe einmal bestimmte Aspekte der Wirtschaftspolitik mit moderner Kriegsführung verglichen ... Es ist fast wie bei einem Computerspiel ... Man redet über Statistiken und nicht über die Menschen hinter diesen Statistiken.“

Dem Film hingegen wurde Einseitigkeit vorgeworfen, weil er konsequent die Seite der Betroffenen spiegelt. Der Regisseur berichtete in der sich anschließenden Zuschauerdiskussion, an der Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn und Bernhard Remde, Vertreter des Brandenburger Umweltministeriums, teilnahmen, allerdings auch davon, dass es ihm trotz wiederholter Bemühungen nicht gelang, Vertreter und Privatisierungsbefürworter von IWF, Weltbank und WTO vor seine Kamera zu bekommen. Der IWF begründete seine Ablehnung damit, dass „der Regisseur eine gefährliche Person sei“. Bei weiteren Recherchen in Nigeria wurde er vom Geheimdienst unter fadenscheinigen Begründungen – Spionage und Visumsbetrug – verhaftet und eingesperrt. Inzwischen wurde „Der große Ausverkauf“ weltweit in mehr als 20 Ländern gezeigt und ist auch für den Deutschen Filmpreis nominiert.

Völlig zu Recht, denn es gelingt ihm überaus eindrücklich, den Zuschauer für ein scheinbar „papiernes“ Thema aufzuschließen und emotional zu erreichen. Das wollen auch die 40 anderen nominierten Filme dieses Festivals, das bis zum 9. April im gesamten Land Brandenburg an 50 verschiedenen Orten Station machen und zum Abschluss mehrere Filmpreise, darunter den Preis der Stadt Potsdam für die beste künstlerische Gestaltung, vergeben wird.

Darüber hinaus ist das Publikum eingeladen, mitzupunkten und nimmt als Dank dafür an einer extra Verlosung teil. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite