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Freischäler. Regisseur Stephan Rick hat die Geschichte um Urs Blank Schicht für Schicht freigelegt – und sie dann in einem faszinierenden Film umgesetzt.

© Manfred Thomas

"Die dunkle Seite des Mondes“ im Thalia: Das Halluzinogen im Schafspelz

Stephan Rick inszeniert in „Die dunkle Seite des Mondes“ eine psychologische Reise. Am Dienstag war er im Thalia-Kino zu Gast.

Von Sarah Kugler

Es ist der Wald, der in „Die dunkle Seite des Mondes“ brilliert. Der Wald und Schauspieler Moritz Bleibtreu mit einer Ausdrucksweise, wie man sie schon lange nicht mehr bei ihm gesehen hat. Im Zusammenspiel laufen sie zu Höchstformen auf, gehen bedrohlich aufeinander zu, fangen sich beschützend auf und verschmelzen schließlich zu einem Wesen. Es mag seltsam klingen, von einem Wald wie von einem Schauspieler zu sprechen, aber so wie Regisseur Stephan Rick ihn hier inszeniert, ist er kaum anders wahrzunehmen. Nicht nur der immer wiederkehrende Wolf ist dabei lebendig, auch die Bäume, das Moos, selbst der Nebel scheinen eine eigene Seele zu haben. „Die dunkle Seite des Mondes“ – eine Adaption des gleichnamigen Romans von Martin Suter – ist der erste große Kinofilm des Regisseurs, der sein Debüt am vergangenen Dienstagabend im Babelsberger Thalia-Kino vorstellte.

Er erzählt die Geschichte von Urs Blank (Moritz Bleibtreu), einem erfolgreichen Wirtschaftsanwalt, der von dem Selbstmord eines Geschäftspartners vollkommen aus der Bahn geworfen wird. Als er dann die alternative Lucille (Nora von Waldstätten) kennenlernt und mit ihr gemeinsam einen Pilztrip erlebt, verändert sich seine Persönlichkeit vollkommen: Er lässt sich spontan zu Gewalttaten hinreißen und versteht sich selbst nicht mehr. Mit der Hoffnung auf ein Gegenmittel zieht er sich in den Wald zurück und versucht wieder zu sich zu finden.

Auch wenn der Film mit starken Darstellern wie Nora von Waldstätten, Luc Feit oder Jürgen Prochnow besetzt ist, trägt Moritz Bleibtreu einen großen Teil des Films allein. Sein innerer Kampf zeichnet sich gleich stark in Gesicht wie Körper ab und in den Momenten, in denen er mit der Natur um sich herum im Einklang atmet, mutet der Film einem ein intensives Kammerspiel zu, dem man sich kaum entziehen kann.

Bleibtreu sei schon sehr früh an der Geschichte interessiert gewesen und habe sich sehr für die Rolle eingesetzt, sagt Rick, der zusammen mit Catharina Junk auch das Drehbuch zum Film schrieb, beim Filmgespräch im Thalia. Allerdings sei er am Ende des Drehs auch froh gewesen, endlich wieder aus dem Wald raus zu können, fügt der Regisseur lachend hinzu. Für den Dreh seien die Waldaufnahmen, die in Luxemburg stattfanden, ein großer logistischer Aufwand gewesen. „Gerade die wirklich schönen Stellen sind natürlich schwer zu erreichen, aber die Mühe hat sich gelohnt“, so Rick. Vor allem die mystischen Elemente des Waldes seien für ihn sehr wichtig gewesen – weil sie die innere Reise des Protagonisten symbolisieren, die für ihn als Regisseur die Quintessenz der ganzen Geschichte ist.

Anders als im Roman steckt dabei die dunkle Seite tatsächlich in Blank selbst und ist durch den Pilz zwar katalysiert, nicht aber hervorgerufen worden. Unterstützt wird die teilweise bedrückende Reise durch die intensive Musik, die zwar nicht wie der Filmtitel vermuten lässt, von Pink Floyd – und deren legendärem Album „Dark Side of the Moon“ – stammt, aber stellenweise stark daran erinnert. „Leider ist Pink Floyds Musik nicht käuflich“, so der Regisseur. „Obwohl es letztendlich fast gut war, sie hätte den Film komplett überstrahlt.“

Auch der Wolf, dem Blank immer wieder begegnet, kommt im Roman nicht vor. Bei Rick steht er nicht wie etwa bei Rotkäppchen für die Verführung, sondern für das innere Gleichgewicht, die Ausgeglichenheit. „Tiere töten nur, um zu überleben“, so der Regisseur. „Blank hingegen tötet aus unerklärlicher Rage und muss quasi wieder zur natürlichen Ordnung zurückfinden.“ Der Dreh mit den insgesamt drei Wölfen war nicht immer unkompliziert. „Die haben einfach weniger Bock als etwa Hunde und freuen sich auch nicht so über Belohnungsleckerli“, sagte er. „Gerade wenn man wie wir nur 32 Tage Drehzeit hat, ist das manchmal knifflig, aber auch eine faszinierende Erfahrung.“

Faszinierend war laut Regisseur auch der Konsum von Halluzinogenen, der beim Dreh unvermeidlich war. „Allerdings nur in einem experimentellen Rahmen unter kontrollierten Bedingungen“, so Rick und fügt hinzu: „Ich würde es keinem empfehlen.“ 

Der Film läuft täglich 18.45 Uhr im Thalia, Rudolf- Breitscheid Str. 50.

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