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Familienbande. Der deutsche Bäckermeister Werner Grabosch (Henry Hübchen) will seine Enkelin Mathilda von ihrem polnischen Vater zurückholen.

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Kultur: Deutsch-polnische Klischees

Regisseur Jakob Ziemnicki präsentierte im Thalia-Kino seinen Film „Polnische Ostern“

„Die Überraschungsgäste haben mich überrascht, sie sind leider nicht gekommen“, so begann Jakob Ziemnicki am Freitagabend das Filmgespräch zu seiner Culture-Clash-Komödie „Polnische Ostern“, die erst seit ein paar Tagen im Kino zu sehen ist. Das Fehlen der beiden Darsteller – wen er mitbringen wollte, sagte er leider nicht – war dann aber nicht weiter schlimm, denn der 1975 in Polen geborene Jungregisseur war ein charmanter Plauderer und ließ das Publikum so manchen Blick hinter die Kulissen des Filmgeschäftes werfen.

Da ging es genauso um die Eitelkeiten der Schauspieler wie um die nötige Geldbeschaffung. Und Ziemnicki, der als Fünfjähriger nach Deutschland kam, und so den Bezug zu beiden Kulturen hat, berichtete, dass er für seinen Film, der über das ZDF in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ gefördert wurde, lange keine weiteren Geldgeber fand, weil „Förderer nichts falsch machen wollten“. Denn noch immer lauern genügend Fallstricke im deutsch-polnischen Verhältnis.

Davon handelt auch der liebevoll-ironisch erzählte Film. Der deutsche Bäckermeister Werner Grabosch (Henry Hübchen) muss seine Enkelin Mathilda nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrem polnischen Vater ziehen lassen. Das passt dem Alten überhaupt nicht und er will alles daran setzen, das verlorene Kind wieder nach Hause zu holen. Also fährt er über Ostern nach Polen und sucht nach Beweisen für die Unfähigkeit des Kindsvaters, um das deutsche Jugendamt zu einer Rückführung Mathildas zu bewegen. Und dabei kommen natürlich jede Menge (deutsche) Vorurteile ins Spiel.

Die Grabosch auch auf Schritt und Tritt bestätigt kriegt, Stichwort: „polnische Wirtschaft“, krumme Geschäfte, fanatische Religiosität. Und auch die Polen machen sich ihren Reim auf diesen knickrigen und besserwisserischen „Nemez“. Dass schließlich doch noch eine richtige Familienzusammenführung stattfindet, daran sind die Frauen schuld. Allen voran die Grande Dame des polnischen Films – Regisseur Ziemnicki bezeichnete sie bewundernd als „Deneuve des Ostens“ – Grazyna Szapolowska, die in Grabosch den guten Kern freilegt.

Szapolowska, die mit Krzysztof Kieslowski („Ein kurzer Film über die Liebe“) drehte, spricht privat kein Wort Deutsch und hat extra für diesen Film mit einem Coach die deutschen Texte auswendig gelernt. Genau das Gegenteil praktizierte der polnischstämmige Schauspieler Adrian Topol, der den Vater Tadeusz spielt, er musste sein Hochdeutsch mit Hilfe seiner Großmutter so verändern, dass es wie radebrechendes Deutsch klang.

Regisseur Ziemnicki erzählte außerdem, wie schwierig sich die Innendrehs gestalteten, die man nicht in Polen, sondern in Hamburg drehte. LKW-weise wurde polnisches Interieur – von der Steckdose bis zur Tapete – nach Deutschland gebracht und in einem 60er Jahre Wohnblock eingebaut. Und er hatte auch noch jede Menge Anekdoten auf Lager, wie die von den Priesterpolizisten oder der Nottaufe, die keine Erfindungen des Films, sondern polnische Realität sind. Mit ersteren sollen polnische Verkehrssünder, die es massenhaft in unserem Nachbarland gibt, wenigstens moralisch unter Druck gesetzt werden, ihr Fahrverhalten zu ändern.

Und während das Filmgespräch die Klippen in der deutsch-polnischen Nachbarschaft gekonnt umschiffte, wünschte man sich noch mehr Filme wie „Polnische Ostern“, die nicht nur aus deutscher Perspektive pointiert ironisch die großen und kleinen Schwächen beider Völker bloßlegen. Gern schließt man sich der Aufforderung des Regisseurs an, sein Werk weiterzuempfehlen, nicht nur, um sein nicht vorhandenes Werbebudget zu entlasten.Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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