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Kultur: Der zerbrochene Klang

Auf der Suche nach verlorener Musik

Es ist ein Sound voller Kraft, geballter Vitalität und musikalischer Spielfreude, der kein Publikum unberührt lässt, wenn die 14 Roma- und jüdischen Musiker auf der Bühne ihre zugleich wieder – und neu gefundene Melange aus Lautar- und Klezmer-Musik spielen. Selbst dann nicht, wenn ihn die Zuschauer nicht live, sondern von einer Kinoleinwand hören, wie am Dienstagabend beim „Aktuellen Potsdamer Filmgespräch“ im Filmmuseum: In dem Dokumentarfilm „Der zerbrochene Klang“, den Yvonne und Wolfgang Andrä über die Band The Other Europeans und ihre Suche nach den im alten Bessarabien liegenden musikalischen Wurzeln drehten. Denn dort, im heutigen Moldawien, lebten und musizierten zu Anfang des 20. Jahrhunderts jüdische und Roma-Musikerfamilien selbstverständlich zusammen, bis der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus dem ein Ende setzte.

„Für Westeuropäer sind Juden und Zigeuner irgendwie etwas Exotisches. Deshalb heißt das Projekt The Other Europeans“, sagt im Film der Musiker Alan Bern, der gemeinsam mit den Regisseuren Yvonne und Wolfgang Andrä zum Filmgespräch gekommen war. Er ist der Initiator und Leiter des EU-geförderten musikalischen Projektes The Other Europeans, das die Lautar- und Klezmer-Musiker aus Ungarn, Moldawien, Frankreich, England, Bulgarien, den USA und Deutschland nicht nur in einer gemeinsamen Band zusammenführte, sondern ihnen auch erlaubte, auf die Suche nach der Geschichte einer osteuropäischen Musikkultur zu gehen, die einzigartig in Bessarabien existierte. Um diese Geschichte zu erforschen, begeben sich die Musiker auf eine Reise, die sie nicht nur nach Moldawien, Israel oder Deutschland führt, sondern auch zurück in ihre eigene Geschichte.

Der Film begleitet diese Reise und zeigt in spannenden Szenen die Anstrengungen, die alten Klänge zu rekonstruieren – Klänge, die eine demokratische Musikkultur schaffen, denn die Musik ist zu 95 Prozent nicht arrangiert. Während die jüdischen Musiker nach historischen Aufzeichnungen spielen, ohne dem vergessenen Klang auf die Spur zu kommen, bedeutet sie für die Roma noch lebendige Tradition. Am eindrucksvollsten sichtbar wird dies in der Szene bei einem alten, inzwischen in Israel lebenden Musiker: Nicht mit Alan Bern über seine Kompositionen reden, nur mit ihm spielen und trinken will der betagte jüdische Musiker, der seine Kunst von den Lautar gelernt und eine Roma-Frau geheiratet hat.

Zu einem dichten, vielschichtigen Geflecht sind musikethnologische Suche, Ausschnitte von Proben und Konzerte, und Porträts von vier Musikern verwoben. Hinter dessen Oberfläche, so formulierte es Regisseurin Yvonne Andrä, „schlummern so viele Themen, die uns alle angehen.“ Und zitierte ihren Protagonisten Alan Bern, der am Ende des Films feststellt, dass die Reise für ihn eine Erforschung ist, um die Unterschiede zu lieben. „Es geht eigentlich darum, wie wir miteinander umgehen, “ sagt Yvonne Andrä. Alan Bern kann sich über den gerade verliehenen „Preis der deutschen Schallplattenkritik 2012“ freuen, den The Other Europeans bekamen. Gabrielle Zellmann

„Der zerbrochene Klang“ ist noch am heutigen Donnerstag, 20 Uhr, im Filmmuseum Potsdam in der Breiten Straße 1A zu sehen

Gabrielle Zellmann

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