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Der Werderaner Maler Karl Hagemeister: Zwischen den Zeiten

Im Potsdam Museum wird am Donnerstag eine umfassende Arbeit über den Werderaner Maler Karl Hagemeister vorgestellt.

An seinem 80. Geburtstag empfängt Karl Hagemeister auf seinem Hof in Werder an der Havel. Fotos zeigen Besucher in warmen Mänteln, die Damen überreichen Tulpensträuße. Es ist der 12. März 1928, die Zeit zwischen den Jahreszeiten. Da malte er kaum noch, hatte aber Hunderte Ölbilder, Pastelle und Aquarelle geschaffen, vor allem Naturansichten, aus denen heraus es nach Schnee oder Frühling duftet, in denen man würziges Laub riechen kann oder die Sommersonne knistert.

Stilistisch ließ sich Hagemeister zwar nie so richtig einordnen, gehört aber unbedingt zu den wichtigsten brandenburgischen Malern des 19. /20. Jahrhunderts. Über den Ehrenbürger von Werder – wo Hagemeister 1933 starb – erscheint jetzt die erste umfassene wissenschaftliche Publikation: „Karl Hagemeister – In Reflexion der Stille. Monographie und Werkverzeichnis“ von der Berliner Kunsthistorikerin Hendrikje Warmt. Das Potsdam Museum war am Entstehen des Buches maßgeblich beteiligt. Am heutigen Donnerstag wird das druckfrische Buch in Anwesenheit der Autorin im Potsdam Museum vorgestellt.

Arbeitsmittel für Sammler, Händler und Auktionäre

Vor eineinhalb Jahren kam Hendrike Warmt auf uns zu und bat um Unterstützung. Sie wusste, dass das Museum Bilder von Hagemeister hat“, sagt Markus Wicke, Vorsitzender des Fördervereins des Museums. Das Museum war begeistert. Förderverein und Museum initiierten einen Spendenaufruf, der 20 000 Euro für das Buchprojekt einbrachte. Dass Museen solche kostspieligen, aber sehr speziellen Veröffentlichungen unterstützen, sei nicht ungewöhnlich, sagt Wicke. „Für jeden, der Hagemeister im Bestand hat, ist das interessant. Wir können solche Forschungsarbeit aber nicht selbst leisten.“

Das Buch ist eine wichtige Referenz, ein wichtiges Arbeitsmittel für Sammler, Händler und Auktionäre. Mithilfe des Werksverzeichnisses lässt sich beispielsweise feststellen, ob es sich bei neu auftauchenden Gemälden um echte oder Fälschungen handelt. Museen, die eine Sonderausstellung vorbereiten, suchen hier nach den Besitzern von Gemälden, um Leihanfragen zu stellen. Auch das Potsdam Museum plant mittelfristig eine Hagemeisterausstellung.

Durch das Buch erfährt der Maler eine Aufmerksamkeit, die ihm in dieser Form bisher versagt blieb. Der kauzige Alte aus dem Havelstädtchen galt als zurückgezogen. Er verstand sich selbst zunächst als Jäger und Fischer, als Naturmensch, der eben auch malte. Malte, was er sah, erfuhr, was er kannte. Das Buch von Hendrike Warmt enthält auch eine umfassende, gut recherchierte Biografie mit historischen Fotos, Ansichten von Werder, dem Wohnhaus Hagemeisters und Fotos des Malers, auf denen er vollbärtig wie Kollege Heinrich Zille posiert. Warmt entwirft ein Bild des Städtchens, des Lebens der Obstbauern und Kleinbürger.

Er malte, was er liebte: Wind, Wasser

Dort mittendrin beginnt Hagemeister schon in der Volksschule zu zeichnen. Später unternimmt er Studienreisen nach Holland, Frankreich und Italien, aber das Havelland bleibt ihm immer am liebsten. Und die Ostseeküste, die Insel Rügen. Beide Landschaften haben Wind und Wasser zu bieten. Hagemeister malt genau das, Wind und Wasser, Sanddorn und Schilf, aber auch erlegtes Wild auf Schnee und totem Laub. Es malt phasenweise, in manchen Jahren sehr figürlich, Menschen, vor allem Mägde, Bäuerinnen, Frauen, Kinder. Dann wieder malt er impressionistisch, packt, was er in der Natur erlebt und aufsaugt, ganz unmittelbar, mit dickem, manchmal rhythmischem Farbaufstrich auf die Leinwand. Malt, so scheint es, dieselben Motive und Ansichten wieder und wieder und doch jedes Mal neu, mit anderem Licht, anderen Wolken, anderem Wind. Malt denselben knorrigen Baum am Steilufer, mal mit mehr, mal mit weniger Herbstlaub.

Hagemeister gehört zu den Malern um Max Liebermann, die den Impressionismus in Deutschland etablierten und ist Gründungsmitglied der progressiven Künstlervereinigung der „Berliner Secession“. Heute werden vor allem seine Naturbilder, seine märkischen Landschaften, wiederentdeckt, vor wenigen Tagen versteigerte das Berliner Auktionshaus Grisebach drei Hagemeister-Gemälde für fünfstellige Summen.

Hagemeister hängt in der Bäckerstube

Das wird alle die freuen, die noch einen original Hagemeister, ein Pastell oder eine Zeichnung, in der Küche zu hängen haben. Sie habe, sagte Hendrike Warmt in einem Interview, während ihrer Recherche zum Buch mit alteingesessenen Werderanern gesprochen, die den Maler noch gekannt und Bilder von ihm an den Wänden hatten. Der Bäckermeister zum Beispiel, den Hagemeister regelmäßig mit seiner Malerei bezahlte. „Ich würde gut auf solche Bilder achtgeben“, sagt auch Markus Wicke.

Recherchiert hat Warmt unter anderem im Potsdam Museum. Nur jeweils ein Hagemeister ist in der ständigen Ausstellung zu sehen, alles andere wird im Depot aufbewahrt. Das Museum besitzt mehr als 100 Werke, Gemälde, Studien, Zeichnungen – neben dem Bröhan Museum in Berlin und dem Brandenburger Stadtmuseum eine der größten Hagemeister-Sammlungen Deutschlands.

Hendrikje Warmt hat knapp 600 Ölgemälde in das Werksverzeichnis aufgenommen und deren Provenienz recherchiert und verzeichnet. Neben der Biografie und wissenschaftlichen Einordnung des Malers finden sich auch Tagebuchaufzeichnungen, ein Ausstellungs- sowie ein Literaturverzeichnis – alles zusammen eine ungeheuerliche Fleißarbeit. Die zahlreichen Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen Hagemeisters sind in diesem Buch dabei noch nicht berücksichtigt. Etwas Besonderes ist sicher die „Kleine Selbstbiografie von Karl Hagemeister“, die der Maler am zweiten Februar 1928 in einem rückblickenden Sprachmodus verfasst. „Wenn ich nun mein Lebenswerk betrachte, bin ich still zufrieden. Denn ich habe keine Akademie besucht, kein Vorbild gehabt, keine Richtung verfolgt, sondern mich nur durch die Naturstudie weiterentwickelt. So ist meine Kunst nur Natur und Hagemeister wird die Zeiten überdauern.“

„Karl Hagemeister – In Reflexion der Stille“ – Buchvorstellung im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, am heutigen Donnerstag um 18 Uhr. Die Autorin ist anwesend, der Eintritt ist frei.

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