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Kultur: Der Preis des Krieges

Zwischen Dokumentation und Propaganda: Das Filmmuseum zeigte Kriegsfilme von 1916

Ein Soldat lehnt, in sich zusammengesackt, an der Wand eines Schützengrabens. Fast sieht es so aus, als ob er sich nur kurz ausruhen würde – aber er wird nicht mehr aufstehen. Unzählige tote deutsche und britische Soldaten liegen zu zweit, zu dritt, übereinander geworfen, als hätten sie sich im Angesicht des Todes Halt suchend aneinandergeklammert, auf der von schweren Geschützen zerwühlten Erde der zerstörten Schlachtfelder. Das ist der Preis des Krieges.

Die beiden Szenen stammen aus dem Dokumentations- und Kriegspropagandafilm „The Battle of the Somme“, der am Donnerstagabend im Filmmuseum Potsdam zum „Welttag des audiovisuellen Erbes“ gezeigt wurde. Die Unesco will damit einmal im Jahr das audiovisuelle Kulturerbe ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Das Filmmuseum zeigte aus diesem Anlass Kriegsdokumentationen aus dem Ersten Weltkrieg und lud im Anschluss zu einer von Studenten der Filmuniversität geleiteten Podiumsdiskussion.

Als besonderes Highlight begleitete der Londoner Stummfilmmusiker Stephen Horne, teilweise improvisierend, die Vorführungen auf Klavier und Querflöte – mit einem Mix aus Märschen, leichten, fröhlichen Klängen und melancholischen Melodien. Alle gezeigten Filmbeiträge stellen die Schlacht an der Somme dar, die sich dieses Jahr zum 100. Mal jährt. Von Juli bis November 1916 kämpften britisch-französische Truppen gegen die deutschen Stellungen an. Der Kampf gilt als eine der größten und verlustreichsten Materialschlachten des Ersten Weltkrieges, ohne einen entscheidenden Sieg für eine der Parteien.

So nah sich die Filme inhaltlich auf den ersten Blick sind, so unterschiedlich sind sie in ihrer Wirkung. „The Battle of the Somme“, 1916 vom britischen War Office in Auftrag gegeben, kam noch während die reale Schlacht lief in die Kinos und avancierte schnell zu einem großen Erfolg. Etwa 20 Millionen Besucher sahen den Film in den ersten Wochen nach seiner Veröffentlichung. Der deutsche Film „Bei unseren Helden an der Somme“ vom Januar 1917 ist als Antwort auf den britischen Film gedreht worden. Der Propagandafilm, der vom staatlichen Bild und Filmamt (Bufa), produziert wurde, war nicht annähernd so ein Publikumsmagnet wie der britische Vorreiter.

In der anschließenden Diskussionsrunde ging es leider nicht um die allgemeine Wirkung und geschichtliche Entwicklung von Kriegspropagandafilmen, sondern lediglich um einen Vergleich der beiden genannten Hauptbeiträge und ihre unterschiedliche Rezeption. Die Frage nach der Authentizität der gezeigten Aufnahmen wurde als irrelevant verworfen. Wichtiger sei, so der Soziologe Il-Tschung Lim von der Justus-Liebig-Universität Gießen, die „Beglaubigung“ des Geschehens durch die Zuschauer. Hierbei helfe auch Ästhetik und Dramaturgie, die der britische Film deutlich besser einsetze. Dieser ist nach klassischem Schema in fünf Akte gegliedert. Die Schnitte und Standbilder, beispielsweise vom Abfeuern monströser Haubitzen, sind effektvoll eingesetzt.

Während der deutsche Film die deutschen Soldaten als fürsorgliche Besatzer Frankreichs stilisiert und die Zerstörungen allein den Entente-Mächten zuschreibt, zeigt „The Battle of the Somme“ die verheerenden Auswirkungen des Krieges, jenseits propagandistischer und nationaler Ziele. Die Toten und Verwundeten, hier im Gegensatz zur deutschen Version direkt gezeigt, werden unabhängig ihrer Nationalität als bedauernswerter Verlust dargestellt. Somit schwankt „The Battle of the Somme“ auf einzigartige Weise zwischen Dokumentation, Propaganda und dramaturgisch dichtem, ästhetisch ausgefeiltem Kriegsfilm und entfaltet erst aus diesem Zusammenspiel seine Wirkung. So sah es wohl auch die Unesco, die den Film als besonderes Zeugnis dieses Krieges 2005 in sein Weltdokumentenerbe aufnahm.

Sarah Stoffers

Sarah Stoffers

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