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Eine tragende Rolle. Mit Tschaikowskys „Nussknacker“ hat die Version der John the Houseband nur noch musikalisch etwas zu tun. Hier steht die Nuss im Mittelpunkt.

© Johan Gunseus/fabrik

Kultur: Der Lebenskreislauf der Nuss

Die internationale John the Houseband inszeniert einen verrückten „Nussknacker“ in der fabrik

Von Sarah Kugler

Eine Nussknackerfigur kann gruselig aussehen. Sei es wegen zu groß aufgemalter Zähne oder den oft etwas entrückt guckenden Augen. Vor allem aber wegen des riesigen Mundes. Insbesondere aus der Perspektive einer Nuss muss der auf- und zuklappende Mechanismus höchst bedrohlich wirken. Das dachten sich zumindest die Mitglieder von John the Houseband und haben gleich ein ganzes Stück aus der Sicht von Nüssen konzipiert. Heute Abend feiert ihr „Nussknacker“ in der fabrik Deutschlandpremiere.

An Tschaikowskys Ballettklassiker ist das Musiktheaterstück allerdings nur sehr lose angelehnt, wie Bandmitglied Dennis Deter erklärt. Vielmehr ginge es um den Lebenskreislauf der Nuss und auch darum, den kleinen Leuten eine Stimme zu geben. Der Vorschlag, sich mit Tschaikowsky zu beschäftigen, sei aus Potsdam gekommen, die Idee hätten sie witzig gefunden. „Wir haben eine Kollegin, die ein großer Fan ist und ganz begeistert war“, erzählt Deter. Sein spanischer Kollege Roger Sala Reyner hingegen war eher skeptisch. Mit der märchenhaften Geschichte von Prinz und Prinzessin konnte er nur wenig anfangen. Schließlich befänden wir uns im Jahr 2017, da müsse man schauen, welche Themen des Stücks noch relevant seien. Letzendlich wurde die Musik zum gemeinsamen Nenner.

Über Tschaikowskys zauberhafte Melodien näherten sich die sechs Künstler der Thematik an. Es ist das erste Mal, dass sich die Band mit klassischer Musik auseinandergesetzt hat. Überhaupt kommen die Mitglieder eigentlich alle eher vom Schauspiel, von der Bühne. In der Theaterschule Amsterdam haben sie sich vor neun Jahren kennengelernt. Durch ein Projekt, bei dem die Studenten aus ganz verschiedenen Ländern eine Woche Zeit hatten, sich zu einer Band zu formieren. „Für uns war das ein Trigger“, so Dennis Deter. Jedes Jahr kommen sie seitdem zusammen, zunächst als Coverband – immer schon mit dem Anspruch, auch eine Tanzshow zu integrieren. Musikalisch ist viel Folk ist bei ihren Performances dabei, oft gibt es schon vorhandenes Material, das bearbeitet wird, aber auch eigene Songs.

So auch beim „Nussknacker“. Zur Hälfte besteht die Musik aus Tschaikowskys Klängen, zur Hälfte aus eigenen Kompositionen. Auf der Facebook-Seite der Band gibt es bereits einen kleinen Vorgeschmack: Einen leisen Song, der mit Ukululen gezupft wird. Hier und da schimmert immer wieder die Melodie vom Tanz der Zuckerfee durch, im Nachspiel des Liedes dominiert sie ganz deutlich. „Die Musik von Tschaikowsky hat uns unglaublich fasziniert“, sagt Deter. Sie zu bearbeiten, war für ihn sehr spannend. In ihrem „Nussknacker“ darf es auch sehr laut werden: Mit Synthesizer, Bass und einer Drum Machine. Dieser Power aus elektronischem Pop setzen sie wiederum Folk entgegen: mit Ukulele, Flöte und Melodika. Passend zu ihrem Namen treten alle Künstler auch optisch als klassische Houseband auf. Alle tragen weiße Jackets – und Birkenstocksandalen.

Die Sandalen haben zwar nichts mit einem Bandoutfit zu tun, sind aber ein schönes Gegenstück zum klassischen Spitzenschuh. Und eine Huldigung des Verpönten, des Uncoolen. Denn genau das will dieser „Nussknacker“ erzählen: Eine verrückte Geschichte über das Leben der unscheinbaren Nüsse, die irgendwann geknackt werden müssen, damit neue Nüsse entstehen können. Ein ökologischer Kreislauf, der zwar nichts mehr mit der Zuckerfee oder dem Mäusekönig zu tun hat, aber nach Spaß klingt. Ein Spaß, der die Angst vor den Zähnen des Nussknackers hoffentlich vertreiben wird. Sarah Kugler

„Der Nussknacker“, ab acht Jahren heute und morgen um 19.30 Uhr in der fabrik

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