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Kultur: Der „Herbertshof“ und sein Bewohner

Vivian J. Rheinheimer edierte ein Buch über Herbert M. Gutmann bei Koehler & Amelang

Die Gutmann-Villa, ein legendäres Haus am Jungfernsee: 1945 wurde das Gebäude von der Roten Armee annektiert, später übergab man es wegen der innerdeutschen Grenze an die Wasserstraßenämter Potsdam und Berlin, im Haus selbst etablierte sich ein Altersheim, nach 1990 drangen dann Hausbesetzer in die leeren Räume. Der Vandalismus breitete sich auf dem Gelände überall aus. Die Kinder des ehemaligen Besitzers, Herbert Gutmann, machten schließlich von ihren Recht Gebrauch, ihr Eigentum wieder in Besitz zu nehmen. Die Familie versuchte das Haus zu verkaufen, was nach sechs Jahren gelang, im Jahre 2005.

Die Villa hat wahrlich bessere, ja glanzvolle Zeiten erlebt. Der „Herbertshof“, wie der Berliner Bankier und Kunstsammler Herbert Max Gutmann (1879-1942) sein Anwesen nannte, wurde ein Treffen bekannter Politiker und Künstler der Weimarer Zeit sowie eine Schatzkammer von Kunstwerken, die Gutmann sammelte.

Die Potsdamer Autorin Vivian J.Rheinheimer hat sich diesem Areal angenommen und ihm ein umfangreiches Buch gewidmet, das dieser Tage im Verlag Koehler & Amelang Leipzig erschien. Vivian J. Rheinheimer als Herausgeberin hat namhafte Autoren für die jeweiligen Fachgebiete verpflichten können, deren Beiträge ein Gewinn für den Leser sind. Beispielsweise: Wolfgang Brönner, Jan Thomas Köhler, Dietrich R. Quanz, Wolfgang G. Schwanitz. Auch die zahlreichen Fotos, die von den Nachfahren Gutmanns stammen und teilweise erstmals veröffentlicht werden, lassen den Atem der Geschichte und die besondere Atmosphäre von „Herbertshof“ spüren. Die Porträtfotografien von Gutmann machen indes mit einer schillernden Persönlichkeit bekannt. Herbert M. Gutmann wurde als Sohn des Gründers der Dresdner Bank, Eugen Gutmann, in Dresden geboren, 1884 zog die Familie nach Berlin. 1889 konvertierten die Gutmanns vom Juden- zum Christentum. Der Sohn trat in die Fußstapfen seines Vaters, wurde bei der Dresdner Bank tätig und gründete 1906 die Deutsche Orientbank.

1913 heiratete er Daisy von Frankenberg. In diesen Jahren entstand die Idee, dass die Familie das Anwesen von Gutmanns Onkel Ernst Heller in der Potsdamer Bertinistraße am Jungfernsee mietet. Verwirklicht wurde das Vorhaben schließlich im Jahre 1916. Drei Jahre später kaufte der Bankier dann das Areal. Man begann das bereits bestehende Gebäude, dessen Ursprünge aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen, umzubauen. Der Historismus feierte seine Feste. Die Turnhalle, die er sich bauen ließ, war jedoch vom Geist des Expressionismus bestimmt. Der Bankier war dem Sport sehr verbunden, er galt nämlich als einer der Modernisierer des deutschen Golfspiels.

Anlässlich eines Besuchs des Königs Gustav von Schweden bei Gutmann 1926 baute man nochmals am und im Haus . Der kostbarste Raum wurde das „Arabicum“ – ein Beispiel für das große Interesse des Hausherrn für die orientalische Kunst- und Kulturgeschichte. Seine Bedeutung erfährt in einem Extra-Beitrag besondere Würdigung. Hier im Arabicum mit seiner reich verzierten und kostbaren Wandverkleidung wurden auch die Könige Fuads von Ägypten und Faisal I. von Irak empfangen. 1981 ist das „Arabicum“ in die Zentrale Denkmalliste der DDR aufgenommen worden. Herbert M. Gutmann sammelte unablässig Kunst, unter anderen Chinesisches und Meißner Porzellan, Gemälde des 18. Jahrhunderts aus Frankreich, Peter Paul Rubens, Anton Ellinger, Anton Graff oder Franz von Lenbach.

1934 zog die Familie aus wirtschaftlichen Gründen in die nahe gelegene Villa Alexander, das einstige Zuhause von Daisy Gutmanns Schwester. Ein Teil der Kunstschätze musste bereits versteigert werden. Der 30. Juni 1934 wurde für den Bankier jedoch ein unheilvoller Tag. Er wurde in Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch verhaftet, kurze Zeit danach wieder freigelassen. Die Villa Alexander besetzten SS-Männer. Der sich zufällig in der Villa befindende Konrad Adenauer musste den Gruppenarrest, die „Ehrenhaft“, die verhängt wurde, mit erdulden. „Es war ein fideles Gefängnis“, schrieb danach ein Arrestant ironisch ins Gästebuch. Im November 1936 verließen die Gutmanns Potsdam in Richtung London. Während einer Reise nach Italienbat sie ein Freund, „wegen des schlechten Wetters“ nicht nach Deutschland zurückzukehren. Herbert M. Gutmann starb am 22. Dezember 1942 nach schwerer Krankheit in London. Die Kunstsammlung wurden nach dem zweiten Weltkrieg von der Familie auseinander gerissen und in alle Winde zerstreut.

Vivian J. Rheinheimer macht in eindrucksvoller Weise mit einer Persönlichkeit aus Potsdams Vergangenheit und mit dessen Refugium am Jungfernsee, das auch heute für Schlagzeilen sorgen kann, bekannt.

Vivian J. Rheinheimer, Herbert M. Gutmann, Koehler & Amelang, 39 Euro.

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