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Der Filmuni-Absolvent Jakob Schmidt: Viele Leben leben

Irgendwie sei er jetzt selbst ein halber Referendar, sagt Jakob Schmidt. Fast ernst klingt sein Lachen dabei.

Von Sarah Kugler

Irgendwie sei er jetzt selbst ein halber Referendar, sagt Jakob Schmidt. Fast ernst klingt sein Lachen dabei. Fünf Jahre lang hat sich der junge Regisseur mit der Lehrerwelt befasst, genauer gesagt mit dem Referendariat – der Zeit zwischen den Stühlen, wie Schmidt seinen Dokumentarfilm genannt hat. Sein Diplom in Regie von der Filmuniversität Babelsberg hat Jakob Schmidt bereits in der Tasche, „Zwischen den Stühlen“ ist seine Abschlussarbeit. Er ist jemand, der nahe dran ist an seinen Protagonisten, genau hinguckt. Auch wenn es wehtut zuzuschauen. Und es tut in seinem aktuellen Film oft weh. Darin begleitet er drei Referendare. Zeigt, wie sie unterrichten, Arbeiten korrigieren, aber auch wie sie selbst geprüft werden und ihre Lehrerpersönlichkeit auseinandergenommen wird.

Er schreckt nicht davor zurück, die zweifelnden Momente zu zeigen, die Wut oder auch die Tränen. „Es ist schon hart zu sehen, wie euphorisch alle drei angefangen haben und wie sie mit der Zeit immer verkrampfter werden“, so der 27-Jährige, der selbst als Lehrerkind aufgewachsen ist. Dabei brächten alle drei das mit, was seiner Meinung nach das Entscheidende sei: den Willen, etwas in einem Menschen zu entzünden. Deswegen seien seine Protagonisten auch alle Helden für ihn – er sagt das ganz ohne Ironie.

Überhaupt hat Schmidt einen sehr klaren, wertfreien Blick. Seine Filme kommentieren nicht, sie zeigen. Ohne Voice-Over, ohne Erklärtext. Egal ob in „Zwischen den Stühlen“ oder in einem seiner ersten Filme „Zwei mal Weihnachten“ aus dem Jahr 2009. In seinem Bewerbungsfilm für die Filmuni spiegelt er wider, wie seine drei Schwestern mit der Scheidung ihrer Eltern umgehen. Zehn Minuten Filmlänge reichen ihm dabei völlig aus, um die ganze Konsequenz für die Familie zu zeigen.

Es sei ihm immer wichtig, eine Wahrheit zu erzählen, sagt er. „Eine Wahrheit“, denn ihm sei klar, dass es „die Wahrheit“ nicht gebe. „Meine Filme sind natürlich eine subjektive Sicht auf die Dinge“, so Schmidt. „Aber sie sind immer eine Möglichkeit, in andere Leben einzutauchen, sie ein Stückchen mitzuleben.“ Das habe ihn schon immer fasziniert. Bereits in der Schule hat er für die Schülerzeitung geschrieben, da er aber seine Themen mit mehr Emotionalität kreativ umsetzen wollte, wechselte er zum Film. Seitdem sind mehrere Kurzfilme entstanden, Dokumentationen genauso wie Fiktionen. „Für mich ist der Unterschied eher fließend“, so Schmidt. Er wolle über das Leben von Menschen erzählen, intensive Recherche sei für beide Genres nötig. Dass er dabei vor unbequemen Themen nicht zurückschreckt, zeigt er schon in „Lieber wär ich Mörder“ von 2012, in dem er einen Sexualstraftäter bei seiner Rehabilitierung begleitet.

Oder auch in dem Kurzspielfilm „Gewitterzellen“ von 2015, in dem ein junger Mann seine Mutter sucht, die ihn kurz nach Geburt verlassen hat, und sich dafür in ihre Familie einschleicht. Für ihn sei diese Auseinandersetzung mit dem Leben wahnsinnig erfüllend. „Ich beginne dabei regelmäßig zu brennen“, sagt Schmidt und sein Gesicht leuchtet dabei. Panikmomente, ob er es schaffe mit dem Beruf sich und seine Familie – er hat einen dreijährigen Sohn – dauerhaft ernähren zu können, gebe es trotzdem. Ständig sogar, wie er sagt, aber die Leidenschaft sei ein so großer Antrieb, dass er einfach Regie führen müsste. Nächste Projekte sind in Vorbereitung. Darunter ein Gedankenexperiment, das sich damit beschäftigt, sein Leben neu leben zu können, wenn man sich selbst treffen könnte. Ein fiktionaler Film diesmal. „Nach fünf Jahren Lehreralltag brauche ich eine Radikalabwendung“, sagt er und lacht – jetzt klingt es befreiend. 

Am Mittwoch, dem 17. Mai, um 18.45 Uhr stellt Jakob Schmidt „Zwischen den Stühlen“ im Thalia-Kino vor

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