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Weihnachten mit Würstchen. Der Film „Ach, du fröhliche“ (1962).

© Defa-Stiftung

Defa-Film-Kochbuch im Filmmuseum vorgestellt: Böhmische Knödel gegen das Fernweh

Nach Kohl hat sie oftmals gerochen, die untergegangene DDR, und ein bisschen nach muffigen Kartoffeln. Es gab ja auch nicht viel, wenn man nicht gerade das Glück hatte, in der Hauptstadt zu wohnen.

Nach Kohl hat sie oftmals gerochen, die untergegangene DDR, und ein bisschen nach muffigen Kartoffeln. Es gab ja auch nicht viel, wenn man nicht gerade das Glück hatte, in der Hauptstadt zu wohnen. Kulinarisch? Nun ja. Gehungert hat keiner, nur die deftige Kalorienzufuhr durch die genannten Gerichte könnten böse Zungen schon als Zeichen dafür interpretieren, dass knapp an der Mangelernährung vorbeigeschrammt wurde.

Aber dennoch: Gegessen wurde, und der gesellschaftliche Stellenwert der gemeinsamen Mahlzeit wurde auch verbissen verteidigt. Grund genug für die Autorin Elke Pohl, ein Kochbuch zum Thema im „BuchVerlag für die Frau“ herauszubringen. Das Kochbuch mit dem griffigen Titel „Wir kochen gut“ aus dem gleichnamigen Verlag hatte es in so ziemlich jeden Haushalt der „Zone“ geschafft und ist auch heute noch in der nunmehr 50. Auflage erhältlich. Ein Fundus also für die Rezepte, die Elke Pohl jetzt in ihrem „Defa-Film-Kochbuch“ ausgewählten Filmen zuordnet.

Am Dienstagabend wurde das Buch im Filmmuseum vorgestellt, mit einigen Ausschnitten versehen und von einem anschließenden Büfett gekrönt. Da Autorin Pohl erkrankt war, führten die Verlags-Programmleiterin Sabine Melchert und der Potsdamer Filmguru Knut Elstermann durch den Abend. Ein Rezeptaustausch wurde das natürlich nicht, denn wenn Cineast Elstermann auf dem Podium des Filmmuseums Platz nimmt, ist für die Feinheiten eines Wirsingkohleintopfes kein Platz. Überhaupt outete sich Elstermann eher als kulinarisches Greenhorn: Wo man denn Sauerampfer kaufen könne, fragte er. Kichern aus dem Publikum: Wächst doch an jedem Bahndamm! Und Vogelmiere? Unkraut im Garten!

Aber dafür kennt er sie alle, die Größen der Defa: Erwin Geschonneck, Rolf Ludwig, Hermann Zschoche. Und die Defa ist für Elstermann auch heimatliches Erinnerungsterrain: „Die Verschwendung der Fleischbällchen in der Suppe beim König Drosselbart machte mich als Kind tieftraurig“, gestand er. Dabei war die Verschwendung von Nahrungsmitteln eher eine umformulierte Sehnsucht der DDR: Völlerei als Symbol des unerreichten Wohlstandes, das als Instrument in jedem Film funktionierte.

Beim Märchenfilm „Das Feuerzeug“ (1959) etwa, der in einem Wäldchen bei Babelsberg gedreht wurde und aus dem die ersten Ausschnitte über die Leinwand des Filmmuseums flimmerten. Da haut sich der ausgediente Soldat Hans (Rolf Ludwig) eine komplette gebratene Gans hinter, als wäre sie eine schmale Griletta – während die Bevölkerung damals noch Lebensmittelmarken ausgeteilt bekam. Oder in der ungewohnt kritisch-süffisanten Weihnachtskomödie „Ach, du fröhliche “, in der es darum geht, ob es zu Weihnachten lieber Würstchen mit Kartoffelsalat oder „Karpfen Blau“ geben soll. Überhaupt waren Defa-Filme anfangs noch erstaunlich kritisch: In der Christa-Wolf-Verfilmung „Der geteilte Himmel“ (1964) von Konrad Wolf schien noch alles möglich; die deutsch-deutsche Teilung sollte sich erst kurz darauf manifestieren. Liebe ist eben stärker: Passend dazu steht im Buch das Rezept für „Liebeseclairs mit Eierlikör-Füllung“.

Wie auch in der „Legende von Paul und Paula“, die an diesem Abend nicht fehlen durfte. Ausgerechnet Honecker soll den Film, der bereits auf der Abschussliste stand, noch freigegeben haben, erzählt Elstermann. Zu sehen ist die Bettszene, die ihre erotische Komponente mit dem Kredenzen von mit Schrippen, Äpfeln und ganzen Broilern gespickten Spießen zu übertünchen versucht. Gefressen und gesoffen wird auch in „Und nächstes Jahr am Balaton“ (1980) von Hermann Zschoche, ein flüssiges Hippie-Roadmovie, das sein Ende abrupt am Eisernen Vorhang finden wird. Fernweh sei eben eines der Grundleiden der DDR-Bevölkerung gewesen, konstatiert Elstermann. Rezept im Buch dazu: Tschechisches Rindergulasch mit Böhmischen Knödeln.

Pech übrigens für die, die an diesem Abend lieber die Couch hüteten: Im Anschluss gab es ein passendes Büfett – darauf Schnittchenplatte mit Käse, Wurst und Fisch („Bis dass der Tod euch scheidet“), hausgemachte Bouletten („Einfach Blumen aufs Dach“) sowie die Borsdorfer Apfeltorte („Sieben Sommersprossen“). Oliver Dietrich

Elke Pohl: „Das Defa-Film-Kochbuch – Von der Leinwand auf den Tisch. Beliebte Defa-Filme und ihre Rezepte“, BuchVerlag für die Frau, 16,95 Euro

Oliver Dietrich

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