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Auch "Solo Sunny" von Konrad Wolf wird im Rahmen des Drewitzer Filmfestivals Open Air gezeigt.

© Defa-Stiftung/Dieter Lueck

Defa-Festival in Drewitz: Was Film kann

75 Jahre Defa: Das feiert jetzt auch ein Potsdamer Filmfestival – in Drewitz. Initiiert hat es das Begegnungszentrum „Oskar“. Im Kern geht es um kulturelle Teilhabe für alle.

Potsdam - Es begann denkbar zaghaft: mit der Anfrage einer Drewitzer Bürgerin. Wenn am Sonntag in der Drewitzer Konrad-Wolf-Allee erstmals ein Filmfestival eröffnet wird, dann liegt das daran, dass im Januar eine Frau bei Katja Zehm im Büro stand und auf das anstehende 75. Jubiläum der Defa hinwies. Ob man dazu nicht vielleicht irgendetwas etwas machen wolle?

Katja Zehm, seit 2019 gemeinsam mit Daniel Piechotka Leiterin des Begegnungszentrums Oskar, wurde sofort hellhörig. Mit der Defa verbindet sie eigentlich nur Filme aus Kindertagen. „Der kleine Muck“, „Alfons Zitterbacke“. Aber ein Filmfestival in ihrem Stadtteil, damit hatte sie schon lange geliebäugelt. Und als diese Frau in ihrem Büro stand, war da sofort der Gedanke: Wann, wenn nicht jetzt?

Das filmische Gesicht von Drewitz

Dabei half, dass die Drewitzer Bürgerin nicht irgendeine war, sondern Rosemarie Spatz. Sie ist Geschäftsführerin der Potsdamer Bibliotheksgesellschaft, gut vernetzt, umtriebig. Rosemarie Spatz sorgte dafür, dass Katja Zehm mit den richtigen Leuten in Kontakt kam: mit Sigrid Sommer, Marketingleiterin der Stadt Potsdam, mit Anna Luise Kiss von der Filmuni Babelsberg, die zur Potsdamer Filmgeschichte forscht. Und mit Sebastian Stielke, der ein Buch über Babelsbergs Filmgeschichte geschrieben hat.

Kiss und Stielke werden beide am Filmfestival in Drewitz beteiligt sein. Anna Luise Kiss mit einer Drewitzer Version der Ausstellung „Das filmische Gesicht der Stadt Potsdam“, die zur Einheitsexpo vor dem Filmmuseum zu sehen war. Und Sebastian Stielke, Mitglied im Team der Creative City of Film, stellt sein Buch „100 facts about Babelsberg“ vor. Außerdem lädt er die Menschen in Drewitz ein, mit ihm auf Erkundung zu gehen: Wer war eigentlich dieser Konrad Wolf? Wer Ernst Busch, Hans Albers und Asta Nielsen?

"Taubenjule" von Hans Kratzert wurde zu großen Teilen in Potsdam gedreht.
"Taubenjule" von Hans Kratzert wurde zu großen Teilen in Potsdam gedreht.

© Defa-Stiftung/Hans-Jürgen Hoeftmann

Ein Neubaugebiet, das Anschluss an die Filmgeschichte sucht

Sie alle wurden mit Straßennamen bedacht, als man in Drewitz in den 1980er Jahren begann, ein neues Viertel zu errichten. Man suchte bewusst den Anschluss an das sich nördlich anschließende Gelände des Filmparks, an die traditionsreiche Filmgeschichte der Stadt. Dass Potsdam seit 2019 die einzige deutsche Unesco Creative City of Film ist, sei vielen gar nicht bewusst, sagt Stielke – nicht nur ein Drewitzer Problem. Aber auch.

So kommt es, dass die Stadt Potsdam aus dem Budgettopf für die Marke „Creative City of Film“ Mittel in Höhe von knapp 15.000 Euro zuschießt. Einen kleinen Testlauf für das Festival gab es bereits 2020. Im Rahmen der Aktion „30 Tage Film“ wurden an verschiedenen Orten Potsdams 50 Filme aus der Filmfabrik Babelsberg gezeigt. Darunter auch „Solo Sunny“ von Konrad Wolf in Drewitz, open air. Eine großartige Erfahrung, sagt Katja Zehm. „Es kamen viele, die keine Ahnung von der Defa hatten, aber auch eingefleischte Fans.“ Und eins hat sie gelernt: Diesmal stellt sie Decken bereit.

Eintritt erwünscht und kostenfrei

Rund 60 Stühle werden vor der Leinwand neben dem i-Café aufgebaut sein: Wer zuerst kommt, sitzt zuerst. Eintritt ist ausdrücklich „erwünscht und kostenfrei“. Keiner muss zahlen – aber wer will, der darf. Das Programm hat Zehm gemeinsam mit Sebastian Stielke, Rosemarie Spatz, Anna Luise Kiss und Sigrid Sommer ausgewählt. Gezeigt werden Klassiker wie Konrad Wolfs „Ich war neunzehn“ und „Solo Sunny“, Gerhard Kleins „Berlin Ecke Schönhauser“ oder Kinderfilme wie „Der kleine Muck“. Aber auch Entdeckungen: „1-2-3 Corona“, ein früher Defa-Film von 1948. Oder Hans Kratzerts „Taubenjule“ von 1982. Gedreht wurde der vor allem in Potsdam: in der Breiten Straße zum Beispiel, damals Wilhelm-Külz-Straße.

Der 23. September ist ganz der Oper gewidmet, und da dürfte der Defa-Film („Figaros Hochzeit“ von Georg Wildhagen) fast zur Nebensache werden. An dem Tag ist die Kammerakademie Potsdam in Drewitz zu Gast, mit einem Konzert – und mit dem Film „Unsere Natur, unsere Zukunft“. Dieser entstand 2020, als pandemiebedingt keine Stadtteiloper stattfinden konnte. Stattdessen haben die Schüler:innen der Grundschule „Am Priesterweg“ insgesamt zwanzig Beiträge erarbeitet. Haben Schattentheaterfiguren gebastelt, Fotos gemacht, Graffitis gestaltet, Szenen geschrieben, Müll recycelt. Und die KAP hat den Sound eingespielt: „The Unanswered Question“ von Ives, „Le chaos“ von Rebel, „What a Wonderful World“.

Katja Zehm ist seit 2019 Leiterin des Begegnungszentrum "Oskar" in Drewitz.
Katja Zehm ist seit 2019 Leiterin des Begegnungszentrum "Oskar" in Drewitz.

© Privat

Nur der Auftakt einer Festivalreihe?

Es geht also um Film, um die Defa – aber mehr noch geht es beim Drewitzer Filmfestival um das Miteinander, das dahintersteht und dabei geschieht. Katja Zehm hofft, dass das Festival ein Auftakt ist. Muss es sich inhaltlich unbedingt weiter um die Defa drehen? „Da bin ich ergebnisoffen“, sagt Zehm. Am wichtigsten ist ihr, ein Gefühl dafür zu bekommen, was die Leute in Drewitz am meisten anspricht. Nach der langen Durststrecke, die Corona für Gewerbe, Kultur und auch Familien war, „soll Kunst, Kultur und Gemeinschaft wieder zugänglich und erlebbar gemacht werden“, sagt Katja Zehm. Auf niedrigschwelliger Basis. „Die Leute sollen wieder raus, sollen was Schönes erleben, einfach eine gute Zeit haben.“

Morgens also gibt es Kinoangebote für Kitas und Grundschulen, nachmittags für Familien, abends für Erwachsene. Die sollen nach der Arbeit noch vorbeikommen können, ohne dafür in die Innenstadt fahren zu müssen, sagt Katja Zehm. Wenn die Leute am Ende sagen: Wow, Kino hier für uns!, dann hat sie ihr Ziel erreicht.

Keine Stigmatisierung bitte

Katja Zehm hat noch eine Bitte. Der kann hier nur halb entsprochen werden. Es soll nicht vom „sozial kritischen“ Bezirk die Rede sein. „Wir haben Probleme wie andere auch.“ Die in Drewitz will sie nicht kleinreden, sie weiß um Bildungsnotstand, Kinderarmut. Nur im Schlaatz gibt es mehr Arbeitslose. Drewitz sei diverser als andere Orte, ja. Aber wenn Katja Zehm eines verhindern will, dann ist es Stigmatisierung. „Uns geht es um kulturelle Teilhabe, für alle, ganz einfach.“ Kino, sagt sie, ist da ein toller Anfang.

19. bis 26. September neben dem i-Café, Konrad-Wolf-Allee 12a. Das Programm finden Sie unter www.oskar-drewitz.de

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