zum Hauptinhalt

DEFA-BUCH IN Potsdam: Der Staudamm bricht

Gert Golde war der letzte Generaldirektor der Defa. In seinem Buch „Ein Arbeitsleben für die DEFA“ spricht er erstmals über ihr Ende.

Potsdam - Wie ist das, wenn jemand 30 Jahre schweigt und sich dann doch durchringt zum Reden? Die Antwort war am Donnerstagabend auf eindrückliche Weise im Filmmuseum zu erleben. Es ist, als würde ein Staudamm brechen.

Im Filmmuseum zum Gespräch eingeladen war Gert Golde, Jahrgang 1937, der letzte Generaldirektor der Defa. Nach fast 30 Jahren bei der Defa als Aufnahmeleiter, Produktionsleiter, Ökonom und Produktionsdirektor, trat er am 1. September 1989 sein Amt als Generaldirektor an. Ein schweres Amt, wie sich bald zeigen sollte. Es blieb ein knappes Jahr bis zur Umwandlung in eine GmbH, drei Jahre bis zum Verkauf des Spielfilmstudios an den französischen Konzern CGE.

Gert Golde wollte die Defa retten – und begleitete sie in ihr Ende. Über diesen für viele, auch für Golde, schmerzlichen Prozess hat er bislang geschwiegen. Jetzt legt er ein ganzes Buch vor: „Ein Arbeitsleben für die DEFA“. Das Ergebnis von insgesamt 23 Stunden Gesprächen, die Dorett Molitor, Sammlungsleiterin im Filmmuseum, über mehrere Monate mit Gert Golde geführt hat. Gut 250 Seiten.

Die Erinnerungen sprudelten

Im Filmmuseum wurde nun das Buch präsentiert. Es sollten zwei Filme gezeigt werden, die Golde viel bedeuten. Erst „Dresden – wenige Jahre danach“ (1959) von Jürgen Böttcher, an dem der gebürtige Dresdner Golde als Student selbst beteiligt war, danach „Der Fall Gleiwitz“ (1960) von Gerhard Klein. Dazwischen sollte Gert Golde von Ralf Schenk, dem Vorstand der DEFA-Stiftung, befragt werden.

Eine halbe Stunde war geplant, es wurde eine ganze – und es wurde kein Austausch, es wurde ein Monolog, ein 50-minütiger Redefluss, mäandernd zwischen genau erinnerten Details, oft mit viel Gespür für Situationskomik vorgetragen, mit ironischer Selbstreflexion („Ich halte mich wie immer kurz“) und Beobachtungen, die Haltung einfordern und auch heute gelten. „Der Filmbetrieb hat eine Bringeschuld gegenüber Autoren, sagte er. Niemand erinnere sich heute mehr an den toten Plenzdorf. Bis in die eigene Kindheit zurück ging dieser gedankliche Ausflug, zurück an den Esstisch in Dresden, um den herum Gert Golde rannte, um der erbosten Mutter zu entrinnen und sie stattdessen zum Lachen zu bringen – eine Strategie, die er sich bis heute bewahrt hat, wie er selbst sagt.

Mit der Faust auf den Tisch

Was das heißt, zeigte sein rhetorischer Parforceritt im Filmmuseum. Vom Film „Mephisto“ und dem Fast-Oscar für die Defa springt er zu Strawalde, der ihm als Dank für sein soeben erschienenes Buch ein Paket mit Zeichnungen schickte, und einen Brief: „Sei uff der Hut“. Und auf einmal ist er bei dem Regisseur und Kameramann Roland Gräf („mein größter Kritiker“), der ihm mal sagte: „Gert, ihr hättet damals alle gehen müssen.“

Gert Golde ging nicht. Stattdessen landete er im Juli nach der Währungsunion 1990 bei einer US-Bank, um um Geld für den Erhalt der Defa zu betteln. Von inländischen Banken war keins zu bekommen. Das macht Golde noch heute so wütend, dass der stille Mann im Filmmuseum die Faust auf den Tisch haut. 

Zur Startseite